HAUSÄRZT:IN: Welche Rolle spielte die Allergologie und Immunologie in den 1990ern in Medizin und Wissenschaft?
Prof. ELLMEIER: Grundsätzlich hängt jeder wissenschaftliche Fortschritt immer sehr stark damit zusammen, wie sich Methoden und Techniken entwickeln und welche neuen experimentellen Möglichkeiten es gibt. In den 1980er-Jahren war das molekulare Klonen von Genen ein entscheidender Schritt für Wissenschaft und Medizin. Man konnte Gene isolieren, klonieren und beschreiben. Auch im Bereich der Allergologie war das ein riesiger Meilenstein, weil es erstmals möglich war, einzelne Allergene molekular zu charakterisieren und zu zeigen, ob Patient:innen tatsächlich Antikörper dagegen haben. Wien war hier zum Teil auch federführend. So hat sich ein ganzer Wissenschaftszweig dramatisch und substanziell weiterentwickeln können. Die Möglichkeit, Antigene und Allergene molekular zu beschreiben, war ein riesengroßer Fortschritt – für das Verständnis der Prozesse, aber auch bezüglich diagnostischer Methoden und natürlich ebenso für die Herstellung von Therapeutika und Impfstoffen.
Ein weiterer wichtiger Durchbruch, der viel dazu beigetragen hat, ein Grundverständnis davon zu schaffen, wie das Immunsystem funktioniert, war die Entwicklung der sogenannten Knock-out-Mäuse. Gene aus dem Mausgenom konnten gezielt entfernt werden, wodurch man wiederum untersuchen konnte, welche Rolle diese Gene im Immunsystem spielen. Man kann auch die Dosis von manchen Genen erhöhen. Durch diese Methoden konnte beispielsweise studiert werden, wie sich Immunzellen verhalten, wenn ein bestimmtes Gen nicht mehr oder übermäßig vorhanden ist. Es gibt immunologische Erkrankungen, die auf einzelne Mutationen in bestimmten Genen zurückzuführen sind. Mit den Knockout-Mäusen konnten Tiermodelle für diese Erkrankungen erstellt werden. Gerade in den 1990er- und 2000er-Jahren waren solche Modelle für mechanistische Studien die einzigen experimentell wirklich zugänglichen und somit unverzichtbar – und sie sind das eigentlich bis heute – vor allem, wenn man sie mit neuen methodischen Ansätzen kombiniert.
In den letzten zehn bis 15 Jahren erlebten wir wieder eine Art Revolution …