Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtet, dass die Exposition gegenüber Luftverschmutzung pro Jahr schätzungsweise Millionen Todesfälle durch assoziierte Erkrankungen verursacht.1 Die Auswirkungen sind bereits ganz am Anfang des Lebens spürbar, denn Feinstaub steht epidemiologisch in Verbindung mit einer erhöhten Rate an Gesundheitsrisiken während der Schwangerschaft. Der Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Gestationskomplikationen könnte darauf beruhen, dass Luftschadstoffe oxidativen Stress und Entzündungen während der Schwangerschaft auslösen oder verstärken.2
Die Plazenta versorgt das ungeborene Kind mit Nährstoffen und Sauerstoff, reguliert den Stoffwechsel zwischen Schwangeren und Fötus und sorgt durch spezialisierte Immunzellen für ein entzündungsfreies, schützendes Milieu im Mutterleib – eine sehr wichtige Aufgabe, die durch die Exposition gegenüber Luftschadstoffen beeinträchtigt werden kann. Sobald Feinstaubpartikel in die Zelle eindringen, beeinträchtigen sie Organellen und führen zu Funktionsstörungen sowie Veränderungen im intrazellulären Proteintransport. Solche gestörten biologische Prozesse in der Plazenta begünstigen möglicherweise Komplikationen wie Präeklampsie und intrauterine Wachstumsrestriktion.2 Eine Exposition in der Frühschwangerschaft führt beispielsweise zu einer Hypomethylierung spezifischer Gene in der Plazenta, die mit der Entwicklung und dem Wachstum des Trophoblasten in Verbindung stehen, was zu einer verlangsamten Reifung der Plazenta beiträgt. Besonders bedenklich ist dies im ersten Trimester, in dem die Organentwicklung des Fötus passiert.3
Eine internationale Forschungskooperation zwischen der Universität Lund in Schweden und der Medizinischen Universität Graz hat nun gezeigt, dass Feinstaubpartikel aus dem städtischen Verkehr die Struktur der Plazenta verändern können und sogar deren Immunzellen in ihrer Funktion beeinflussen. Bereits ein kurzer Kontakt mit PM2,5-Partikeln führte im Experiment zu messbaren Veränderungen im Plazentagewebe. Um besser zu verstehen, wie Luftschadstoffe die Funktionen der Plazenta beeinträchtigen könnten, nutzte das Forschungsteam ein hochspezialisiertes experimentelles Modell – die sogenannte ex vivo duale Plazentaperfusion, bei der Plazentagewebe unmittelbar nach der Geburt unter kontrollierten Bedingungen untersucht werden kann.4
Die Analyse der Proben mittels Transmissionselektronenmikroskopie zeigte, dass bereits ein kurzer Kontakt mit PM2,5-Partikeln zu deutlichen Schäden im Plazentagewebe führt. Betroffen waren unter anderem Kollagenfasern, die dem Gewebe Stabilität verleihen, sowie Mitochondrien, die für die Energieversorgung der Zellen entscheidend sind.4 "Besonders auffällig war die Reaktion der Immunzellen in der Plazenta: Sie wechselten von einem normalerweise entzündungshemmenden in einen entzündungsfördernden Zustand – ein Muster, das auch bei Präeklampsie beobachtet wird, einer ernsten Schwangerschaftserkrankung mit möglichen Risiken für Mutter und Kind", beschreibt Molekularbiologin Birgit Hirschmugl, PhD, von der Med Uni Graz.
Laut den Grazer Wissenschafter:innen unterstreichen die neuen Erkenntnisse die Dringlichkeit politischer und gesellschaftlicher Maßnahmen zur Reduktion von Luftverschmutzung – insbesondere in städtischen Ballungsräumen. Gleichzeitig betonten sie die Wichtigkeit einer weiteren intensiven Erforschung der Plazenta als zentrales Organ der Schwangerschaft.