Schon frühere Studien zeigten, dass das Darmnervensystem neben seiner Funktion für die Verdauung auch eine wichtige Rolle bei Abwehrreaktionen im Darm spielt. Bisher war jedoch weitgehend unbekannt, inwiefern das Darmnervensystem die Entwicklung von Darmzellen beeinflusst. Nun hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Charité, der Universität Bern und des Inselspitals Bern, Universitätsspital Bern erstmals gezeigt, dass das Darmnervensystem als zentraler Schalter für die Darmbarriere fungiert. Über einen freigesetzten Botenstoff steuert es, wie sich Zellen der Darmwand zu unterschiedlichen Zelltypen entwickeln. Zudem beeinflusst es auch die Immunreaktionen im Darm, die Allergien fördern.
Die Forscher:innen untersuchten in ihrer Studie anhand eines Mausmodells, wie bestimmte Nervenzellen im Darm mit den Stammzellen des Darms kommunizieren. Sie fokussierten sich dabei auf das sogenannte vasoaktive intestinale Peptid (VIP) – einen Botenstoff, der vom Darmnervensystem produziert wird. In der Studie konnte erstmals gezeigt werden, dass Darmnervenzellen über den VIP-Botenstoff direkt mit den Darm-Stammzellen kommunizieren. Die Nervenzellen sorgen dadurch dafür, dass sich die Stammzellen nicht zu schnell vermehren und nicht zu stark in bestimmte Zelltypen ausreifen. Ist dieser Steuerungsmechanismus gestört und fehlt der VIP-Botenstoff, entsteht ein Überschuss sogenannter Büschelzellen, die ihrerseits dann Signale ausschütten und im Darm eine Art Allergieprogramm starten.
"Unsere Resultate verdeutlichen, dass das Darmnervensystem ein entscheidender Faktor für die Aufrechterhaltung einer gesunden Darmschleimhaut, Immunregulation und letztendlich für die gesunde Darmbarriere ist", betont Dr. Manuel Jakob von der Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin am Inselspital, Forschungsmitarbeiter am Department for BioMedical Research (DBMR) der Universität Bern und Wissenschaftler an der Charité. "Unser 'Bauchhirn' ist also viel mehr als nur Verdauungshelfer. Es ist ein zentraler Schalter für Gesundheit, Abwehrkräfte und möglicherweise auch Krankheiten, die sehr viele Menschen betreffen. Interessanterweise deuten die Ergebnisse darauf hin, dass der Effekt auch durch die Art der Ernährung, also die Nahrungsbeschaffenheit beeinflusst wird", so der Erstautor der Studie.