Prof. FRITZ: TikTok, Instagram & Co. aquatische Toxizität, Bioakkumulation sind längst nicht mehr nur Unterhaltungsangebote – sie prägen das Gesundheitsverhalten vieler Patient:innen. Rund um das Thema Sonnenschutz kursieren dort besonders viele Falschinformationen, Halbwahrheiten und Mythen. Das verunsichert – insbesondere junge Familien und gesundheitsbewusste Nutzer:innen.
Eine aktuelle Umfrage zeigt: Jede:r siebte Erwachsene unter 35 Jahren glaubt, dass die tägliche Verwendung von Sonnencreme schädlicher sei als die Sonneneinstrahlung selbst.1 Die Folge: Viele verzichten auf UV-Schutz – aus Angst vor vermeintlich "giftigen" Inhaltsstoffen. Eine Analyse von TikTok-Videos zum Thema Sonnenschutz ergab, dass ein Großteil der Inhalte von Nichtmediziner:innen stammt – mit teilweise gefährlichen falschen Aussagen.
Faktenbasierte Aufklärung
Eine kompetente Beratung beginnt mit einer Differenzierung. Sonnencremes haben eine Vielzahl von Inhaltsstoffen – nicht alle sind gleich zu bewerten. Ja, es gibt UV-Filter wie Octocrylen oder Ethylhexylsalicylat, die in hoher Konzentration problematisch sein können. Doch solche Substanzen sind bekannt, reguliert – und nicht in allen Produkten enthalten.
Moderne Alternativen und Siegel
Viele Hersteller verzichten inzwischen bewusst auf bedenkliche Filter. Dermatologisch empfohlene Produkte setzen auf hautfreundliche Formulierungen, frei von Mikroplastik, Duftstoffen oder hormonell wirksamen Bestandteilen. Das EcoSun-Pass-Siegel bewertet die Umweltverträglichkeit von UV-Filtern anhand wissenschaftlicher Kriterien wie aquatische Toxizität, Bioakkumulation und Abbaubarkeit.2
Häufige TikTok-Mythen im Praxischeck:
- "Pflanzliche Öle wie Himbeersamenöl bieten einen natürlichen Sonnenschutz mit LSF 30." Fakt: Häufig zitiert wird eine Laborstudie mit unrealistischen Bedingungen. In der Praxis erzielen pflanzliche Öle wie Kokos-, Karotten- oder Himbeersamenöl allenfalls LSF 2–4 – also praktisch keinen Schutz. Wer sich damit "eincremt", wiegt sich in falscher Sicherheit.
- "Sonnencreme verhindert die Vitamin-D-Produktion." Fakt: UV-Schutz reduziert die Synthese, blockiert sie aber nicht vollständig. Außerdem genügen oft wenige Minuten Sonne für die Vitamin-D-Bildung – und bei einem Mangel helfen Nahrungsmittel oder Supplemente gezielter als ein Sonnenbrand.
- "Chemische Filter wirken hormonell." Fakt: Einige, etwa Homosalat oder Octocrylen, stehen unter Beobachtung – doch nicht alle chemischen Filter sind bedenklich. Viele moderne Produkte nutzen sichere Alternativen mit sehr guter Hautverträglichkeit.
- "Sonnencreme enthält Mikroplastik." Fakt: Immer noch sind in vielen Sonnenschutzprodukten nicht abbaubare Polymere enthalten – häufig als Filmbildner oder zur Konsistenzverbesserung. Hersteller werben mit Begriffen wie "mikroplastikfrei", doch diese Kennzeichnung ist oft nicht eindeutig geregelt. Während einige Definitionen nur feste Partikel berücksichtigen, schließt die BUND-Definition auch gelöste, flüssige und gelartige synthetische Polymere ein – zu Recht.3
Beratung in der hausärztlichen Praxis:
- Erkennen Sie die Unsicherheiten Ihrer Patient:innen an. TikTok-Videos sind oft emotional aufgeladen – und schaffen ein Gefühl der Identifikation.
- Klären Sie darüber auf, dass nicht alle Sonnencremes gleich sind. Ratsam sind Produkte mit LSF 30 oder 50, ohne Mikroplastik, Duftstoffe oder problematische Filter.
- Verweisen Sie auf umweltfreundliche Sonnencremes, die z. B. durch den EcoSun Pass zertifiziert sind.
- Empfehlen Sie die tägliche Anwendung, besonders im Gesicht.
- Bieten Sie Informationen aktiv an – z. B. durch Aushänge, Infoblätter oder gezielte Gespräche in der Sommerzeit.