Hausärzt:in 05/2025
Ärzt:in Assistenz 03/2024

Pflanzlich vs. tierisch? Auswirkungen auf rheumatoide Arthritis

blauer Wecker mit gelbem Blitz
Patient:innen-Fragen kompetent beantworten.
© peerapong / stock.adobe.com
Maria H. (57) wurde vor sechs Monaten mit rheumatoider Arthritis diagnostiziert. Trotz medikamentöser Therapie berichtet sie weiterhin von Gelenkschmerzen und -steifigkeit, insbesondere in den Morgenstunden. Ihre behandelnde Rheumatolog:in empfiehlt eine diätologische Beratung, um mögliche ernährungstherapeutische Ansätze zu evaluieren. Maria H. fragt sich, ob eine Umstellung ihrer Ernährungsweise die Krankheitsaktivität positiv beeinflussen könnte.
Medizinische Expertise
Eva-Maria Polz

Eva-Maria Polz, MA (Diätologin, Leiterin Arbeitskreis Rheuma & Osteoporose (Diaetologie Austria))

POLZ, MA: Rheumatoide Arthritis (RA) ist durch eine chronische systemische Entzündungsreaktion gekennzeichnet, die maßgeblich durch proinflammatorische Zytokine und Eicosanoide vermittelt wird. In diesem Zusammenhang rückt die Ernährung zunehmend in den Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen. Insbesondere das Verhältnis zwischen Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren sowie die Quelle aufgenommener Proteine spielen eine Rolle in der Entzündungsmodulation. Während bestimmte Bestandteile tierischer Lebensmittel entzündungsfördernd wirken können, werden pflanzenbetonten Ernährungsmustern potenziell entzündungshemmende Effekte zugeschrieben. Als Grund dafür werden ein günstiges Fettsäureverhältnis und ein hoher Anteil an antioxidativen Substanzen genannt.

Gleichgewicht zwischen Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren

Arachidonsäure (AA) ist eine mehrfach ungesättigte Omega-6-Fettsäure, die vorrangig in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Eiern und bestimmten Milchprodukten vorkommt. Sie dient als Vorstufe verschiedener entzündungsfördernder Mediatoren, darunter Prostaglandine (z. B. PGE2) und Leukotriene (z. B. LTB4), welche die Inflammation bei RA begünstigen. Ein hoher AA-Status wird mit einer verstärkten Freisetzung dieser Mediatoren assoziiert, was zu einer Exazerbation entzündlicher Prozesse beitragen kann. Studien zeigen, dass die Konzentration von AA im Plasma direkt mit der Ausprägung der Entzündungsaktivität korrelieren kann. Allerdings ist die individuelle metabolische Verarbeitung von AA stark variabel und wird unter anderem durch genetische Faktoren und den allgemeinen Ernährungsstatus beeinflusst. 

Eine Konkurrenz zur proinflammatorischen Wirkung der AA stellen die marinen Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) dar. Sie sind vor allem in fettreichem Meeresfisch und Mikroalgen enthalten. Diese Fettsäuren konkurrieren mit AA um dieselben Enzymsysteme. Zudem führen sie zur Bildung von alternativen entzündungsauflösenden Mediatoren wie Resolvinen, Protektinen und Maresinen. Solche Substanzen weisen antiinflammatorisches und entzündungsauflösendes Potenzial auf.

Alpha-Linolensäure (ALA) ist eine pflanzliche Omega-3-Fettsäure, die in Leinsamen, Chiasamen und Walnüssen vorkommt. Sie kann im Körper in EPA und DHA umgewandelt werden, jedoch ist diese Umwandlungsrate begrenzt. Trotz geringer Umwandlungskapazität könnten ALA-reiche Lebensmittel aufgrund ihrer antioxidativen und entzündungsmodulierenden Eigenschaften eine ergänzende Rolle im Rahmen der Ernährungstherapie spielen.

Bedeutung der Proteinquelle

Neben dem Fettsäureprofil bestimmt die Quelle der aufgenommenen Proteine das Entzündungsgeschehen entscheidend mit. Pflanzliche Proteinquellen wie Hülsenfrüchte, Sojaprodukte (Tofu, Tempeh etc.), Nüsse und Samen enthalten neben essenziellen Aminosäuren auch bioaktive Verbindungen wie Polyphenole und Phytosterine, die antioxidative und entzündungsmodulierende Eigenschaften besitzen. 

Einige Untersuchungen deuten darauf hin, dass eine pflanzenbasierte Ernährung mit einem geringeren entzündlichen Status und einer besseren Symptomkontrolle bei RA-Patient:innen assoziiert sein könnte. Dies könnte unter anderem mit dem niedrigeren Anteil an AA und gesättigten Fettsäuren sowie dem höheren an Omega-3-reichen Nüssen und Samen zusammenhängen. Zudem ist bekannt, dass eine ausgewogene Ernährung die Diversität des Darmmikrobioms positiv beeinflussen kann, was wiederum mit immunmodulierenden Effekten in Verbindung gebracht wird.

Zeithorizont und individuelle Variabilität

Der Zeitraum, bis diätetische Modifikationen messbare Effekte erzielen, variiert. Interventionsstudien deuten darauf hin, dass erste positive Veränderungen in der Krankheitsaktivität nach etwa drei bis sechs Monaten erkennbar sind. Eine langfristige Adhärenz in puncto entzündungsmodulierender Ernährung ist entscheidend, da kurzfristige Veränderungen keine nachhaltigen Effekte zeigen. Dabei spielen individuelle Faktoren wie genetische Prädispositionen, das Darmnach einer Ernährungsumstellung berichten, zeigen andere weniger ausgeprägte Effekte. Dieser interindividuelle Unterschied unterstreicht die Bedeutung einer individuell abgestimmten Ernährungsstrategie im Rahmen der multimodalen RA-Therapiemikrobiom und Begleiterkrankungen eine maßgebliche Rolle. Während einige Patient:innen über eine deutliche Reduktion von Schmerz und Steifigkeit nach einer Ernährungsumstellung berichten, zeigen andere weniger ausgeprägte Effekte. Dieser interindividuelle Unterschied unterstreicht die Bedeutung einer individuell abgestimmten Ernährungsstrategie im Rahmen der multimodalen RA-Therapie.

Fazit: Eine Ernährungsumstellung hat eine unterstützende Funktion im Management der RA. Der gezielte Einsatz von Omega-3-Fettsäuren sowie eine Reduktion der Aufnahme von AA können potenziell entzündungshemmend wirken. Ebenso deuten epidemiologische Daten darauf hin, dass pflanzenbasierte Proteine gegenüber tierischen Proteinquellen möglicherweise vorteilhaft sind. Aufgrund der begrenzten Umwandlung von ALA in EPA und DHA bleibt die direkte Zufuhr mariner Omega-3-Fettsäuren jedoch weiterhin relevant. Die individuelle Reaktion auf eine Ernährungsintervention ist heterogen, was die Wichtigkeit einer individuellen Ernährungstherapie unterstreicht. Neben der Modifikation von Fettsäuren gilt eine mikronährstoffreiche Ernährung mit Fokus auf Osteoprophylaxe als essenziell.