Hausärzt:in 05/2025
Ärzt:in Assistenz 03/2024

Sprachliche und kulturelle Barrieren überwinden

Wenn Menschen aus dem Gesundheitsbereich und Patient:innen nicht die gleiche Sprache sprechen und darüber hinaus aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammen, kann das für beide Seiten zu einer Herausforderung werden. Eine Expertin gibt Tipps, wie es gelingen kann, eine optimale Betreuung dennoch gewährleisten zu können.
Expertise
Petra Glaser

Petra Glaser (Ordinationsassistentin und Referentin, Lebens- und Sozialberaterin i.A.)

ÄRZT:IN ASSISTENZ: Welche sprachlichen oder kulturellen Herausforderungen erleben Ordinationsassistent:innen häufig im Kontakt mit ausländischen Patient:innen?

Petra GLASER: Die Kommunikation in einer Ordination stellt grundsätzlich eine Herausforderung dar – selbst dann, wenn beide Seiten dieselbe Sprache sprechen. Viele Patient:innen kommen mit Sorgen, Ängsten oder in einer Ausnahmesituation in die Praxis. In solchen Momenten fällt es oft schwer, Informationen richtig aufzunehmen oder sich klar auszudrücken. Wenn zusätzlich eine Sprachbarriere besteht, potenziert sich diese Schwierigkeit erheblich.

Englisch als gemeinsame Sprache reicht in vielen Fällen nicht mehr aus, insbesondere da Patient:innen sowie Ordinationsassistent:innen das Fachvokabular auf medizinischem Niveau in den seltensten Fällen ausreichend beherrschen. Die Gefahr von Missverständnissen ist groß – vor allem bei der Erhebung der Anamnese oder bei der Erklärung diagnostischer Schritte. Dabei ist gerade hier eine klare, präzise Kommunikation essenziell, um Fehlinterpretationen oder Behandlungsfehler zu vermeiden.

Technische Hilfsmittel wie Übersetzungs-Apps oder KI-basierte Tools können eine gewisse Unterstützung bieten, reichen aber derzeit oft noch nicht aus, um medizinische Sachverhalte sinngemäß und kulturell angemessen zu übersetzen. Nicht selten wird versucht, sich mithilfe von Gesten, Mimik und vereinfachter Sprache zu verständigen – was zwar kreativ ist, aber ebenfalls zu Fehlinterpretationen führen kann.

Kulturelle Unterschiede spielen in der Kommunikation eine untergeordnete, aber dennoch spürbare Rolle. Manche Patient:innen erscheinen beispielsweise mit mehreren Begleitpersonen in der Praxis, was logistische Herausforderungen mit sich bringen kann. Auch das Konzept von Terminvereinbarungen oder Wartezeiten ist nicht in allen Herkunftsländern gleich geläufig. Ob es sich dabei um kulturell geprägtes Verhalten handelt oder einfach um unterschiedliche Gesundheitssysteme, lässt sich aus meiner Perspektive jedoch nicht immer eindeutig feststellen.

Welche Tipps können Sie Ordinationsassistent:innen für die Kommunikation mit Patient:innen, die kaum oder nicht Deutsch sprechen, geben?

Zunächst ist es wichtig zu betonen, dass die Betreuung von Patient:innen mit Sprachbarriere in der Regel deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt, als im Praxisalltag oft vorgesehen ist. Diese zeitliche Enge führt leicht dazu, dass sich Patient:innen – unbeabsichtigt – als "Störfaktor" wahrnehmen. Umso wichtiger ist es, dass in Ordinationen nicht nur Kommunikationsschulungen angeboten werden, sondern auch Schulungen zu Wahrnehmung, Empathie, Selbstreflexion und Selbstfürsorge. Denn nur eine Ordinationsassistentin, die sich ihrer eigenen Haltung bewusst ist und in ihrer Rolle gestärkt wird, kann echte Begegnung ermöglichen – auch über Sprachgrenzen hinweg.

Im Idealfall bringt die Patient:in eine Dolmetscher:in mit, die oder der gut Deutsch spricht und auch medizinische Begriffe zumindest grundlegend versteht. Leider trifft das nicht immer zu – oft ist das Deutsch der Dolmetscher:in ebenfalls begrenzt, was zu weiteren Missverständnissen führt. Hilfreich ist es auch, wenn die dolmetschende Person sich im Vorfeld die wichtigsten Informationen beschafft, etwa zu Medikamenten, Vorerkrankungen und zum aktuellen Beschwerdebild. Das spart bei der Übersetzung Zeit und bietet mehr Raum für die eigentliche Behandlung – besonders wichtig angesichts des Zeitdrucks, dem auch Ärzt:innen unterliegen.

Zusätzlich können Übersetzungs-Apps eine Unterstützung sein, auch wenn sie medizinische Inhalte nicht immer sinngemäß wiedergeben. Eine Kommunikation auf einfachem Niveau kann damit jedoch durchaus erleichtert werden. Grundsätzlich empfehle ich, in kurzen, klaren Sätzen zu sprechen, einfache Begriffe zu verwenden und Fachvokabular – wenn möglich – zu vermeiden. Langsames, deutliches Sprechen, begleitet von unterstützender Mimik und Gestik, kann ebenfalls hilfreich sein. Weiters können visuelle Hilfsmittel wie Piktogramme, Bildkarten oder mehrsprachige Anamnesebögen zur Verständigung beitragen – vorausgesetzt, sie sind korrekt übersetzt und sinnvoll einsetzbar.

Und nicht zuletzt: Geduld, Wertschätzung und echtes Interesse sind die wichtigsten Grundlagen jeder gelungenen Kommunikation – ganz unabhängig von der Sprache.

Abgesehen von sprachlichen Problemen – welche Herausforderungen kann es noch im Umgang mit ausländischen Patient:innen geben?

Kulturelle Unterschiede sind natürlich vorhanden, führen in der Praxis aber selten zu echten Problemen. Vieles lässt sich durch respektvolle Kommunikation und klare Abläufe gut auffangen.
Ein häufig genanntes „ausgeprägtes Schamgefühl“ beobachte ich persönlich nicht häufiger als bei deutschsprachigen Patient:innen. Themen wie Intimität oder Körperlichkeit sind grundsätzlich sensibel – unabhängig von der Herkunft.

Herausfordernd kann es werden, wenn mehrere Angehörige gleichzeitig anwesend sind oder organisatorische Abläufe, wie etwa Terminvereinbarungen, ungewohnt sind. Auch ein stark ausgeprägtes Hierarchieverständnis – etwa die Erwartung, ausschließlich mit dem Arzt zu sprechen – kann gelegentlich zu Missverständnissen führen. Doch mit Geduld, Klarheit und Empathie lassen sich solche Situationen meist gut lösen.

Kolleg:innen, die in städtischen Ordinationen arbeiten, berichten zudem vereinzelt von traditionellen Rollenbildern, bei denen insbesondere weibliches Personal nicht sofort als gleichwertige Ansprechperson wahrgenommen wird. Auch ich habe das punktuell erlebt. In solchen Fällen sind Selbstsicherheit und das Setzen klarer Grenzen wichtig.

Solche Dynamiken treten tendenziell eher im städtischen Raum auf, wo viele kulturelle Hintergründe aufeinandertreffen. Das bringt große Vielfalt, aber eben auch unterschiedliche Erwartungen mit sich. Entscheidend ist: Kulturelle Prägungen sind nicht automatisch problematisch – sie beeinflussen jedoch den Kommunikationsstil, das Vertrauen in medizinisches Personal und mitunter auch die Haltung gegenüber bestimmten Berufsgruppen. Ein bewusster, professioneller Umgang damit gehört einfach zum Praxisalltag.

Können Sie uns das eine oder andere konkrete Beispiel – je nach Nationalität – dafür nennen?

Ein Erlebnis, das mir besonders gut im Gedächtnis geblieben ist, zeigt, wie schnell es bei sprachlichen und kulturellen Unterschieden zu Missverständnissen kommen kann – auch wenn die Situation auf den ersten Blick banal erscheint.

Ich bat eine Patientin, die kein Wort Deutsch sprach, sich die Hände zu desinfizieren. Da ich an diesem Tag unter Zeitdruck stand, habe ich vermutlich etwas ungeduldig auf den Desinfektionsmittelspender hinter ihr gezeigt – mit einer schnellen, etwas hektischen Handbewegung vor meinem Gesicht. Ich saß, die Patientin stand, somit befanden sich meine Hände direkt vor meinem Gesicht. Die Patientin verstand mich nicht, sagte aber auch nichts. Kurze Zeit später kam ihre Tochter in die Ordination und erklärte mir, dass ihre Mutter sehr verletzt sei, weil sie den Eindruck gehabt habe, ich hätte ihr "den Vogel gezeigt". Für mich war das natürlich zunächst unverständlich – bis ich realisierte, dass meine Geste in ihrer Wahrnehmung genauso gewirkt haben musste. Das war für mich ein wichtiger Moment: zu erkennen, wie unterschiedlich nonverbale Signale interpretiert werden können – je nach kulturellem Hintergrund, persönlicher Geschichte oder einfach je nach Situation.

In solchen Situationen befinden wir uns im Ordinationsalltag immer wieder – manchmal rühren sie, manchmal irritieren sie, manchmal bringen sie uns auch zum Schmunzeln. Ehrlich gesagt: Ich könnte noch eine ganze Reihe weiterer Geschichten erzählen – genug, um damit vermutlich ein ganzes Buch zu füllen. Aber das würde heute definitiv den Rahmen sprengen.

Welche Rolle spielt nonverbale Kommunikation in solchen Situationen – und wie kann diese gezielt eingesetzt werden?

Nonverbale Kommunikation spielt eine zentrale Rolle – besonders dann, wenn die verbale Verständigung nur eingeschränkt möglich ist. Mimik, Gestik, Blickkontakt, Tonfall und Körperhaltung können wesentlich zur Verständigung beitragen – oder auch zu Missverständnissen führen, wenn sie unbewusst oder unpassend eingesetzt werden.

In stressigen Momenten neigen wir manchmal zu hektischen oder unklaren Gesten, die – wie ich selbst erlebt habe – in bestimmten Kulturen völlig anders interpretiert werden können. Umso wichtiger ist es, sich seiner eigenen Körpersprache bewusst zu sein und möglichst ruhig, freundlich und offen aufzutreten. Eine einfache, klar ausgeführte Geste ist oft wirkungsvoller als viele Worte. Gezielt eingesetzt, kann nonverbale Kommunikation Vertrauen schaffen und Orientierung geben – z. B. durch ein bestätigendes Nicken, ein einladendes Lächeln oder durch das Zeigen auf Gegenstände wie Behandlungsräume oder Informationsblätter. Gleichzeitig braucht es Sensibilität, denn nicht jede Geste ist in jeder Kultur gleich positiv besetzt.

Mein Fazit: Nonverbale Kommunikation ist kein Ersatz für Worte – aber oft die Brücke, über die gegenseitiges Verstehen erst möglich wird.

Welche Unterstützung bzw. welche Schulungen können Ordinationsassistent:innen diesbezüglich bekommen?

Ein wichtiger Schritt ist, sich auch gründlich mit den eigenen Reaktionen und inneren Themen auseinanderzusetzen. Seit ich begonnen habe, mich selbst besser zu verstehen – etwa zu erkennen, warum mich bestimmtes Verhalten triggert –, hat sich mein Zugang zu Patient:innen grundlegend verändert. Das geht in Richtung Persönlichkeitsentwicklung, was nicht für alle selbstverständlich ist, aber enorm hilfreich sein kann – gerade im herausfordernden Praxisalltag.

Entscheidend ist zudem, dass Schulungen nicht nur angeboten, sondern auch aktiv von der Ordinationsleitung unterstützt werden – sei es in puncto Kommunikation, interkultureller Sensibilität oder durch den Zugang zu modernen Übersetzungshilfen.

Was ich in meiner Tätigkeit als Referentin für angehende Ordinationsassistent:innen immer wieder betone: Es ist nicht das Ziel, Patient:innen um jeden Preis glücklich zu machen. Kommunikation ist keine Einbahnstraße – auch das Gegenüber trägt Verantwortung. Wenn eine Patient:in nicht bereit ist, sich auf Kommunikation einzulassen oder sogar angriffslustig auftritt, ist es essenziell, klare Grenzen setzen zu können. Genau das muss ebenfalls geschult und eingeübt werden: den schmalen Grat zwischen Freundlichkeit, Empathie und Selbstschutz zu erkennen – und sich darauf sicher zu bewegen.

Leider ist das Schulungsangebot speziell für Ordinationsassistent:innen nach wie vor sehr begrenzt. Dabei sind gerade praxisnahe Kommunikationsschulungen – unabhängig vom medizinischen Fachwissen – ein enormer Gewinn für das gesamte Ordinationsteam. Denn gelingende Kommunikation entlastet nicht nur, sondern stärkt auch das Vertrauen – auf beiden Seiten.