ÄRZT:IN ASSISTENZ: Unsere Füße tragen uns durch das ganze Leben, und Beschwerden der Füße können auch weiter oben liegende Körperregionen beeinträchtigen. Dennoch werden sie häufig vernachlässigt. Warum ist es Ihrer Meinung nach so, dass viele Menschen sich zu wenig um ihre Füße kümmern?
Ulli WURPES: Mangelndes Fußbewusstsein ist unserer Erziehung und Lebensweise geschuldet. Wir verstecken die Füße meist gut in Socken und Schuhen. Somit haben wir kaum Gelegenheit zu natürlicher Fußbewegung und dementsprechend wenig Kontakt zu unseren Füßen. Zudem liegt dieser Körperteil sehr weit entfernt von der Kommandozentrale – vom Kopf. Aber zugleich ist er ein sehr, sehr wichtiger, weil auch die Erdung und die Zentrierung natürlich größtenteils über die Füße laufen. Füße sollten wieder salonfähig werden, sodass man sie gerne zeigt, selbst wenn sie vielleicht bereits gewisse Veränderungen aufweisen. Es sind unsere Wurzelbereiche. Man sollte sie sehr entspannt anschauen und angreifen und somit zu seiner Basis stehen können.
Was sind denn die häufigsten Fußprobleme, die Ihnen in der Praxis begegnen?
Oft sind es Beschwerdebilder, welche aufgrund einer muskulären Schwäche auftreten, die wiederum meistens mit Bewegungsmangel zu tun hat, oder auch Spannungsthemen, bei denen die Füße die Spannung des gesamten Körpersystems widerspiegeln. Es geht uns vornehmlich um die Gewölbestrukturen der Füße, um Spannung in der Muskulatur und in den Faszienstrukturen der Füße. Weit verbreitet sind auch der Fersensporn oder verdickte Achillessehnen – in der Fachsprache wird letzteres Problem als Achillodynie bezeichnet. Zudem gibt es Beschwerdebilder an der Plantarfaszie, etwa Morbus Ledderhose. Dabei kommt es zur Knotenbildung im Bindegewebe der Fußsohle, was sehr schmerzhaft sein kann.
Sie bieten in Ihrem Institut auch Fußanalytik an. Was können Ihnen Füße über ihre jeweilige Besitzer:in verraten?
Dabei geht es unter anderem um Stoffwechselthemen. Man erkennt an den Füßen zum Beispiel Übersäuerung, man erkennt Organungleichgewichte, es geht aber ebenso um Stressbelastung – die man mitunter gar nicht als solche empfindet. Aber die Füße spiegeln das ganz direkt wider. Sie sind sehr ehrlich. Sie fungieren als Frühmelder. An den Füßen zeigt sich wirklich, ob ein Mensch im Gleichgewicht ist.
Was ist das Ziel einer Fußanalyse?
Betrachtet man den gesamten Fuß, kann man für sich selbst Erkenntnisse gewinnen, die einem mehr Möglichkeiten geben, ins Gleichgewicht zu kommen – sowohl in Bezug auf Körperstrukturen als auch psychoemotional und natürlich auch in puncto Fußbeschwerden. Letztere kann man entweder rein an der Oberfläche behandeln, mit Einlagen, Operationen oder Schmerzmedikation, wenn nötig. Oder man kann einmal schauen, worin die Probleme wurzeln. Habe ich muskuläre Dysbalancen? Die kann ich verändern. Ich kann zur Physiotherapie gehen, bei der man genau die Muskeln auftrainiert, die verkümmert sind, oder solche Muskeln entspannt, in denen zu viel Spannung liegt. Man kann hier viel tun. Wichtig sind allerdings die aktive Mitarbeit und natürlich die Fußwahrnehmung. Was brauchen denn meine Füße? Nehme ich wahr, dass sie unter Bewegungsarmut leiden, oder ist das für mich völlig normal? Möchte ich das verändern oder bin ich daran gar nicht interessiert? In letzterem Fall ist eine aktive Fußtherapie wahrscheinlich nicht das, was ich brauche. Dann nehme ich eine Einlage. Die stützt mich passiv, aber ich habe langfristig nicht sehr viel davon, weil die Muskulatur logischerweise noch weniger Reize bekommt.
Was sollte man denn beim Schuhkauf beachten?
Das kann man nicht so pauschal beantworten, weil es immer auf den Fußtyp ankommt. Man kann nicht sagen: "Kaufen Sie genau diese Schuhe, die tun Ihnen gut", denn jeder Fuß ist anders. Generell gilt: Schöne Schuhe lassen häufig nur wenig Bewegungsfreiheit zu. Wenn ich unbequeme Schuhe trage, muss ich mir überlegen, wie lange ich meinen Füßen das zumute und was ich danach vielleicht als Ausgleich brauche. Das kann eine Massage mit Bällen sein oder eine Strecke barfuß gehen. Wenn diese Regulation funktioniert, kann ich unterschiedlichste Schuhe tragen. Fragen Sie doch einmal Ihre Füße, welche Schuhe ihnen guttun! Füße sind sehr intelligent. Wenn sie sich nach einer Wanderung noch rundherum wohlfühlen, dann sind die Wanderschuhe gut für die Träger:in. Die Meinungen gehen hier immer auseinander und man kann nicht generell behaupten, dass Barfußschuhe schlecht, hohe Wanderschuhe gut oder Flipflops schlecht sind, weil Füße immer individuell funktionieren. Manche Füße sind sehr gut trainiert und tolerieren verschiedenste Schuhtypen. Manche hingegen brauchen sehr viel Unterstützung. Deshalb ist es schwierig, dazu etwas Konkretes zu sagen.
Was kann man – außer der richtigen Schuhwahl – noch zur Fußgesundheit beitragen?
Mein Tipp ist, jeden Tag mindestens fünf Minuten bewusste "Fußzeit" einzuplanen und diese unterschiedlich zu gestalten. Beispielsweise kann man mit den Fußsohlen über Bälle rollen. Man kann barfuß eine Runde in einer taufrischen Wiese drehen, unter der Dusche kneippen oder den Füßen am Abend eine ausgleichende Massage gönnen. Schon durch diese tägliche Aufmerksamkeit können sich manche Beschwerdebilder bessern.