Hausärzt:in 06/2024

Leberzirrhose: Wenn die Muskeln schwinden

Etwa die Hälfte aller Menschen mit Leberzirrhose verliert krankhaft an Muskelmasse. In einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten klinischen Forschungsprojekt hat eine Forschungsgruppe in Graz nun das "Missing Link" zwischen Leber und Muskel gefunden: das Darm-Mikrobiom. 

Eine ungünstige Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms hängt mit Muskelschwund zusammen – das haben Forschende der Medizinischen Universität Graz nun herausgefunden. In dem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten klinischen Forschungsprojekt "Die Darm-Leber-Muskel-Achse bei Leberzirrhose" wurden Bakterienstämme identifiziert, die vermehrt vorkommen, wenn Leberzirrhose und Muskelschwund gleichzeitig auftreten. 

Für das klinische Forschungsprojekt rekrutierte das Team um Studienleiterin Univ.-Prof.in Priv.-Doz.in Dr.in med.univ. Vanessa Stadlbauer-Köllner, MBA, 217 Personen mit und ohne Leberzirrhose und unterteilte sie wiederum in solche mit und ohne Muskelschwund (Sarkopenie). Sie fanden durch den Vergleich von Probenmaterial eine Häufung von Bakterienstämmen wie Bacteroides fragilis, Blautia Marseille, Sutterella spp. und Veillonella parvula bei Teilnehmenden mit Muskelschwund. Bacteroides ovatus schien im Gegensatz dazu eine positive Wirkung zu haben und kam bei jenen vor, die trotz Leberzirrhose keinen Muskelschwund aufwiesen. Zudem stellte das Team fest, dass die ungünstigen Bakterienstämme mehr sekundäre Gallensäuren bildeten. "Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Gallensäureprodukte über das Blut in den Muskel gelangen und dort zu Schäden führen", erklärt Stadlbauer-Köllner. 

Dass die Gallensäuren als Bindeglied eine so wichtige Rolle spielen würden, war nicht von Anfang an klar. "Früher betrachtete man Gallensäuren wie ein Spülmittel für den Darm, das bei der Verdauung von Fetten hilft. Heute wissen wir, dass die Substanzen als Hormone auf andere Zellen wirken können", so Stadlbauer-Köllner. So zeigen Laborversuche mit Zellkulturen aus Muskelzellen, dass sekundäre Gallensäuren diese schädigen. Ob das auch im Körper passiert, will sie nun in einem Folgeprojekt genauer untersuchen. Sie vermutet, dass die Substanzen bei chronisch kranken Personen durch eine gestörte Darmbarriere ins Blut gelangen.

Mit der Identifizierung der Bakterienstämme haben die Forscher:innen erste Schritte in Richtung einer gezielten Therapie gesetzt, die nützliche Darmbakterien fördert oder direkt zuführt.