Die neue Gesetzgebung soll die Entwicklung, Zulassung und Verfügbarkeit von Arzneimitteln in der gesamten EU modernisieren. Außerdem soll der Pharmasektor fairer und wettbewerbsfähiger gestaltet werden, auch um Medikamenten-Engpässe zu verhindern.
In Europa sollen künftig strenger Regeln für den gezielten Einsatz von Antibiotika gelten, wie die grundsätzliche ärztliche Verschreibung, der Einsatz von besserer Diagnostik vor der Anwendung sowie die Einführung einer verpflichtenden Informationskarte in Antibiotikapackungen. Außerdem bekommen Unternehmen, die neue Antibiotika entwickeln, einen Gutschein, mit dem sie die exklusive Vermarktungsdauer eines anderen Medikaments um ein Jahr verlängern können. Dadurch soll das Problem gelöst werden, dass neue Antibiotika für die Industrie unter normalen Umständen nicht wirtschaftlich interessant sind, da sie nur sehr selten eingesetzt werden sollten.
Ein weiterer Punkt ist die Einführung eines verpflichtenden digitalen Beipackzettels. Der gedruckte Beipackzettel bleibt zunächst bestehen, kann aber perspektivisch entfallen.
Um die Zulassung von innovativen Medikamenten zu verbessern, soll der "Rolling Review" eingeführt werden. Unternehmen können schon während der klinischen Prüfungen Teile der Ergebnisse bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) einreichen und damit gezielt auf Bedenken oder Vorschläge der EMA eingehen, ohne dass sie viel Zeit verlieren. Die Datenschutzfrist neuer Arzneimittel bleibt bei acht Jahren. Dies bedeutet, dass sie in dieser Zeit die ausschließlichen Rechte an Daten aus präklinischen Tests und klinischen Prüfungen besitzen. Der Marktschutz, das ausschließliche Recht, ein Produkt ohne unmittelbare Konkurrenz durch Generika oder Biosimilars zu verkaufen, wird von zwei auf ein Jahr verkürzt. Für innovative Medikamente gibt es die Möglichkeit der Verlängerung um ein Jahr.
Um die Verfügbarkeit wichtiger Arzneimittel zu gewährleisten, wurde den Mitgliedsstaaten das Recht eingeräumt, Unternehmen zur Lieferung von Arzneimitteln zu verpflichten in ausreichenden Mengen, um den Patient:innenbedarf zu decken. Das Pharmapaket enthält zudem eine Ausnahmeregelung zum Schutz geistigen Eigentums, die sogenannte "Bolar-Ausnahme", die es Herstellern ermöglicht, notwendigen Schritte wie Studien oder Versuche zu unternehmen, um sicherzustellen, dass Generika eines Arzneimittels unmittelbar nach Ablauf der Schutzrechte verfügbar sind.
Die Vereinbarung muss nun vom Rat der Europäischen Union als auch vom Europäischen Parlament gebilligt werden, bevor sie förmlich angenommen wird und mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft tritt.
Die ersten Reaktionen sind durchwachsen, Alexander Herzog, Generalsekretär des Pharma-Verbandes PHARMIG erklärt: "Die EU sendet ambivalente Signale aus. Einerseits will sie gerade mit diesem Gesetzespaket die Wettbewerbsfähigkeit Europas und die Medikamentenversorgung stärken. Andererseits bewirken viele der Regeln, auf die man sich nun geeinigt hat, das Gegenteil davon. Statt strategischer Weitsicht geht von diesem Gesetzespaket das Signal aus: Europa hat wohl gerne Innovationen, aber dahingehend investieren sollen andere".
In absehbarer Zeit wird auch noch der "Critical Medical Act" der die Versorgung mit wichtigen Arzneimitteln in der EU sichern soll, erwartet. In diesem Fall hat der Rat der EU seine Position bereits festgelegt, als Nächstes muss dies auch noch das EU-Parlament machen.