Weltweit waren im Jahr 2021 bereits fast 540 Millionen Menschen von Typ-2-Diabetes betroffen. Die Wiener Experten Michael Leutner und Alexandra Kautzky-Willer weißen jetzt darauf hin, dass Frauen häufig unterdiagnostiziert und untertherapiert sind.
Es beginnt bereits damit, dass sich die Risikofaktoren für Typ-2-Diabetes (T2DM) sich unterscheiden. Bei Frauen stehen erhöhten Testosteronkonzentrationen und erniedrigte Östrogenkonzentrationen mit einem erhöhten T2DM-Risiko in Verbindung. Außerdem fördern nichtalkoholische Fettlebererkrankung sowie
viszerales Fettgewebe das Risiko besonders. Einer der wichtigsten Risikofaktoren ist eine zurückliegende Gestationsdiabetes und auch die Menopause führt zu einer Erhöhung des Risikos einer Diabetes-Erkrankung.
Häufig werden Frauen erst später mit T2DM diagnostiziert und haben daher auch bereits Begleiterscheinungen, wie Adipositas, arterielle Hypertonie, Diabetes-Distress und psychosozialen Stress. Außerdem haben Männer den Vorteil bei der Diagnostik, dass ihr Nüchternglukosewert häufiger erhöht ist und dies der Wert ist, der bei Vorsorgeuntersuchungen in der Regel analysiert wird. Frauen haben dafür häufiger eine gestörte Glukosetoleranz, daher sollte der aufwendigere oGTT gemessen werden.
Auch das Risiko für zahlreiche Komplikationen, wie Nierenerkrankungen, neuropathische Schmerzen und kardiovaskuläre Erkrankungen, ist bei Frauen erhöht. Dazu kommt, dass Frauen seltener leitliniengerecht behandelt werden und auch weniger effektiv medikamentös eingestellt werden. Dies hängt auch mit unterschiedlichen Wirkweisen der Medikamente zusammen. Frauen sind interessanterweise weniger therapieadhärent unter einer Metformintherapie im Vergleich zu Männern. Sie weisen unter Metformintherapie ein höheres Risiko für Nebenwirkungen auf und auch die HbA1c-Reduktion ist bei Männern effektiver. Thiazolidindione hängt mit Gewichtszunahme, Beinödemen und Knochenbrüchen bei Frauen mit Diabetes zusammen. Bei Insulin-Gabe erreichen Frauen seltener die vorgegebenen HbA1c-Ziele, haben aber trotzdem ein höheres Risiko für Hypoglykämien. Außerdem haben Frauen ein höheres Risiko für gastrointestinale Symptomatiken bei GLP-1-Rezeptor-Agonisten.
Fazit ist, dass es signifikante geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Diagnostik und Behandlung von T2DM gibt. Um dem Ziel einer personalisierten Medizin näherzukommen, müssen diese geschlechtsspezifischen Unterschiede in der klinischen Praxis berücksichtigt und auch umgesetzt werden.