Hausärzt:in 04/2024

Die Membran, die den Embryo umschließt

Ein Studienteam der MedUni Wien rund um den Genetiker Markus Hengstschläger hat anhand eines Modells aus Stammzellen früheste embryonale Entwicklungsphasen nachgestellt und so die Membran charakterisiert, die den Embryo umschließt und ihm Gestalt und Stabilität verleiht.

Etwa jeder zweite menschliche Embryo ist von einer Fehlentwicklung betroffen, die z. B. dazu führt, dass sich der Embryo nicht in die Gebärmutter einnisten kann oder es zu einer Fehlgeburt kommt. Neben mütterlichen Faktoren oder genetischen Veränderungen des Embryos lässt sich auch vermuten, dass Fehlentwicklungen der zellulären Ordnung und der Morphologie des Embryos dabei eine Rolle spielen könnten. Da das Forschen mit menschlichen Embryonen aus ethischen Gründen in vielen Ländern, wie auch in Österreich, gesetzlich verboten ist, konnten die Ursachen solcher Fehlentwicklungen bisher nicht aufgeklärt werden.

Der Leiter des Instituts für Medizinische Genetik an der MedUni Wien Univ. Prof. Mag. Dr. Markus Hengstschläger leitet eines der wenigen Labors weltweit, die in der Petrischale aus pluripotenten Stammzellen Modelle des menschlichen Embryos, sogenannte Embryoide, herstellen können. Anhand dieser, erst seit kurzem zur Verfügung stehender Embryoide, die sich nicht zu einem Kind entwickeln können, ist es den Forscher:innen nun möglich, die frühesten Entwicklungsphasen der Entstehung menschlichen Lebens zu erforschen. Den beiden Autor:innen Margit Rosner und Markus Hengstschläger ist es gelungen, erstmals zu zeigen, dass der menschliche Modell-Embryo selbst eine Membran herstellt, die ihn umschließt, ohne die er nicht überlebt und die für sein Aussehen verantwortlich ist. Die Membran gibt dem Embryo Gestalt und Stabilität, ist für die Spezifizierung und Organisation der Zellen des Embryos verantwortlich und ermöglicht es ihm, kontrolliert zu wachsen.

Zusätzlich haben die Autor:innen Oct4 als ein Gen identifiziert, das für die Entstehung und Entwicklung dieser Basalmembran maßgeblich verantwortlich ist und diesem Transkriptionsfaktor so eine bislang unbeschriebene Funktion zuordnen können. "Diese Studie beleuchtet molekulare Mechanismen, die für die Entstehung menschlichen Lebens von großer Bedeutung sind, und bildet die Basis für weitere Forschungen, mit dem Ziel, die Ursachen jener Fehlentwicklungen besser zu verstehen, die dazu führen, dass der menschliche Embryo keine Schwangerschaft auslösen kann oder es zu einer Fehlgeburt kommt" erklärt Markus Hengstschläger. "Zusätzlich haben viele Erkrankungen des Menschen ihren Ursprung in der frühen Embryonalentwicklung. Wir wissen darüber aber noch so wenig, weil diese frühe Phase der Entwicklung menschlichen Lebens der Forschung bisher vollkommen unzugänglich war."

Die Studienergebnisse wurden im Top-Journal "Developmental Cell" veröffentlicht.

Oct4 controls basement membrane development during human embryogenesis