Der Darm: Sitz des Immunsystems

Frau im Handtuch hält eine Lilie an ihren Bauch
Im Darm sitzt die körperliche Immunabwehr.
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Denken wir an unseren Darm, fällt den meisten als erstes seine Leistung als Verdauungsorgan ein: Der Darm ist für die Aufnahme lebenswichtiger Substanzen wie von Nährstoffen aus der Nahrung zuständig.

Medizinische Expertise

Eva-Maria Steinkellner

Mag.a Dr.in Eva-Maria Steinkellner

Ernährungsmedizinerin und Diätologin
Erzherzog Rainer Ring 18/2, 2500 Baden
darm.co.at
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Doch nicht nur wenn es um unsere Versorgung mit Nährstoffen geht ist der Darm ein ganz besonders wichtiges Organ. 70% aller Immunzellen befinden sich im Dünn- und Dickdarm; knapp 80% aller Abwehrreaktionen laufen hier ab. Das macht den Darm zu einem enorm wichtigen Teil unseres Immunsystems. Ist der Darm gesund, sind wir besser gegen viele verschiedene Krankheiten geschützt.

Ziel der Verdauung ist, die verzehrten Nahrungsmittel in eine für den Körper verwertbare Form zu bringen. Die Körperzellen können nämlich nur Einzelbausteine als Energiequellen nutzen. Der Verdauungsapparat zerlegt

  • Eiweiß in Aminosäuren
  • Kohlenhydrate in Einfachzucker (Monosaccharide)
  • Fette in Fettsäuren


Diese Nährstoffe sowie Vitamine, Mineralien und Spurenelemente nehmen spezielle Darmwandzellen (Enterozyten) auf und leiten sie an Blut und Lymphflüssigkeit weiter. Darüber hinaus entzieht der Darm dem Speisebrei Wasser und führt es dem Körper zu. Gifte oder Krankheitserreger, die z.B. über die Nahrung in den Körper gelangen, werden hingegen im Verdauungstrakt bekämpft. Durch all diese Leistungen sichert der Darm das Überleben des ganzen Körpers.

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Video: Immunstark durch die kalte Jahreszeit

Mangel- und Überernährung beeinträchtigen das Immunsystem ebenso wie zu wenig Schlaf und fehlende Bewegung. Dabei ist es insbesondere in den kalten Herbst- und Wintermonaten wichtig, die Abwehrkräfte zu unterstützen. Welches Potenzial haben einzelne Nährstoffe und eine adäquate Schlafhygiene? Wie viel Bewegung ist für einen gesundheitsfördernden Effekt erforderlich? Und wie ist das alles einfach im Alltag umsetzbar? (f.eh live im Talk, 03.12.2020)

Der Darm eines Erwachsenen ist rund 8 Meter lang und hat eine Oberfläche von 400 bis 500 Quadratmetern. Würde man ihn entfalten, böte er Platz für 2 Tennisplätze. Dass wir diese riesige Fläche in uns tragen können, kommt daher, dass sich der Darm in Falten legt und Zotten aufweist. Wir brauchen diese unglaublich große Fläche, da sie für unsere Gesundheit von grundlegender Bedeutung ist: Einerseits gibt es die Darmflora, womit eine Lebensgemeinschaft von bis zu 100 Billionen Mikroorganismen gemeint ist, die das innere Milieu im Darm prägen. Zum anderen sitzen auch noch 70 % aller Abwehrzellen des Körpers im Darm. Damit bildet der Darm mit seiner riesigen Fläche das Zentrum des Immunsystems.

Was passiert im Dünndarm?

Der Dünndarm gliedert sich in

  • Zwölffingerdarm
  • Leerdarm
  • Krummdarm

und bildet mit 4 bis 5 Metern Länge den größten Abschnitt unseres Verdauungssystems. Gelangt der Speisebrei vom Magen in den Dünndarm, wird er dort in seine Einzelbestandteile wie Wasser und andere Flüssigkeiten, Amino- und Fettsäuren, Vitamine und Zucker aufgeschlossen. Diese werden über die Dünndarm-Schleimhaut resorbiert und ins Blut weitergegeben. Erst dann stehen Nährstoffe für die Körperzellen bereit.

Neben den Zellen namens Enterozyten, die vor allem der Nährstoffaufnahme dienen, besteht die Schleimhaut des Dünndarms auch noch aus Zellen, die Krankheitserreger abwehren und das Immunsystem unterstützen: Dazu gehören z.B. Paneth-Zellen, die bestimmte Stoffe abgeben, mit denen Erreger bekämpft werden. Auch die sogenannten M-Zellen helfen der Körperabwehr, indem sie Viren, Bakterien, Pilze oder Parasiten aufnehmen und solche Eindringlinge zu speziellen Abwehrzellen schleusen. So kann das Immunsystems schnellstens reagieren und den Körper vor den Krankheitserregern schützen.

Was passiert im Dickdarm?

Der Dickdarm gliedert sich in

  • Blinddarm inklusive Wurmfortsatz
  • Grimmdarm
  • Mastdarm

Er ist zwischen 1 und 2 Meter lang. Was der Dünndarm nicht verdauen konnte, landet schließlich im Dickdarm. Bevor die Nahrungsreste den Körper wieder verlassen, zerlegt der Dickdarm sie mithilfe der Billionen von Bakterien, der Darmflora, weiter, entzieht nochmals Wasser und führt dem Organismus so wichtige Salze (Elektrolyte) zu.

Der Dickdarm spielt für die Körperabwehr eine noch größere Rolle als der Dünndarm. Neben der Darmflora beherbergt er in seiner Schleimhaut nämlich auch noch zahlreiche Lymphfollikel. So werden in der Medizin ganze Kolonien von Lymphozyten bezeichnet. Die Hauptaufgabe der Lymphozyten im Körper ist, Feinde wie z.B. Viren und Bakterien zu erkennen und zu eliminieren - etwa indem sie Antikörper produzieren. Antikörper sind zentrale Bestandteile des Immunsystems, da sie Feinde wie Viren und Bakterien als gefährlich markieren. Darüber hinaus setzen die Lymphozyten bei Bedarf Botenstoffe (Zytokine) frei und rufen damit auch noch andere Immunzellen auf den Plan, um den Körper vor einer Erkrankung zu schützen.

Lange Zeit wurde angenommen, dass der Blinddarm – genauer gesagt sein kleines Anhängsel der Wurmfortsatz – ein funktionsloses Überbleibsel der Evolution sei. Weil der Wurmfortsatz anfällig für eine Entzündung ist (Appendizitis, umgangssprachlich fälschlicherweise auch "Blinddarmentzündung" genannt), wurde er früher sogar teilweise vorsorglich bei Eingriffen in den Bauchraum gleich mit entfernt.

Heute weiß man, dass auch der Wurmfortsatz wichtig für die Gesundheit ist: Wie im ganzen Dickdarm beherbergt auch seine Schleimhaut viele Lymphozyten. Zudem nimmt man an, dass der Wurmfortsatz wichtigen Bakterien der Darmflora eine Art Unterschlupf bietet, wenn eine Durchfallerkrankung plagt. Dann werden mit dem flüssigen Stuhl nämlich nicht nur krankmachende, sondern auch die nützlichen Bakterien ausgeschieden. Indem sich ein paar von ihnen dann in den Wurmfortsatz zurückziehen und so überleben, können sie nach überstandenem Durchfall den Dickdarm wieder rasch besiedeln und Krankheitserreger verdrängen.

Dennoch gibt es Situationen, die eine Entfernung des Wurmfortsatzes notwendig machen. Die Entfernung ist immer die Therapie erster Wahl, wenn der Wurmfortsatz akut entzündet ist, da dann das Risiko besteht, dass die Entzündung den Wurmfortsatz zum Platzen bringt. Auf diesem Weg würden Bakterien und Darminhalt in die Bauchhöhle gelangen und eine lebensgefährliche Entzündung der gesamten Bauchhöhle hervorrufen. Diese OP muss dann also sein.

Wem der Wurmfortsatz entfernt wurde, muss aber nicht um seine Gesundheit fürchten: Erstens ist die Unterschlupf-Funktion für Bakterien vor allem in Ländern mit schlechten hygienischen Verhältnissen wichtig. Und zweitens gibt es heutzutage Bakterien, die nach einer Durchfallerkrankung eingenommen werden können, um rascher wieder für eine gesunde Balance der Darmflora zu sorgen.

  • KörperWissen, M. Grillparzer, Gräfe und Unzer, 5. Auflage, München, 2011
  • Stark - unser Immunsystem, M. Manych, G. Vogel, Trias, 1. Auflage, Stuttgart, 2010
  • 1. Internationaler Lanser Kongress am 14. September 2013 in München
  • M. Blaut: Ecology and physiology of the intestinal tract. Curr Top Microbiol Immunol. 2013;358:247-72. doi: 10.1007/82_2011_192. Mai 2013
  • M. Blaut: Vielfalt der Kulturen: Zusammensetzung und Funktion der Mikrobiota im Darm. In: Aktuel Ernahrungsmed 2012; 37(S 01): S2-S6, DOI: 10.1055/s-0031-1298851. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2012

Autor:in:
Medizinisches Review:
Zuletzt aktualisiert:

17. März 2023

Erstellt am:

23. April 2018

Stand der medizinischen Information:

23. April 2018

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