Suchtmittelkonsum beeinflusst die Sinneswahrnehmungen. So nehmen Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung ein verzerrtes Bild von sich selbst und der Umwelt wahr. Das beeinträchtigt den Kontakt der Betroffenen zu sich selbst und anderen Menschen. Durch eine Tanztherapie kann das Gleichgewicht zwischen Körper und Psyche sowie die Kontaktfähigkeit zu sich selbst und zu anderen Menschen wiederhergestellt werden. Die Therapieform ist eine besondere Art der Psychotherapie, die ganzheitlich-künstlerisch ausgerichtet ist.
Im Gegensatz zu verbal orientierten Psychotherapien, in denen das gesprochene Wort im Mittelpunkt steht, orientiert sich die Tanztherapie an der individuellen Sprache des Körpers. Zudem geht die Therapie davon aus, dass all unsere lebensgeschichtlichen Erfahrungen auch über den Körper gemacht werden und im sogenannten Körpergedächtnis gespeichert sind. Mit der gezielten, ganzheitlich-künstlerischen Bewegung der Tanztherapie können diese Erfahrungen angesprochen und bearbeitet werden. Die Tanztherapie liegt aber nicht bloß in der Bewegung des Körpers, auch Hilfsmittel, die die Körperwahrnehmung stimulieren, kommen zum Einsatz.
Durch eine Tanztherapie wird die Verbindung zwischen Körper, Geist und Seele gefördert. Körper- und Bewegungsübungen ermöglichen einen anderen Zugang zu sich selbst. Die Erlebnisfähigkeit wird gestärkt und eigene Ressourcen erkannt: Man erlebt, was einem gut tut und dass man nicht nur schwach ist. Das fördert das Selbstwertgefühl, stabilisiert die Psyche und ermöglicht wieder mehr Kontakt zu anderen Menschen. Die tanztherapeutische Arbeit fördert die Körper- und Selbstwahrnehmung.
Dadurch erfahren Suchtkranke mehr über sich selbst, ihren persönlichen Umgang mit Gefühlen und die individuelle Funktion des Suchtmittels. Durch die Stärkung und den Aufbau von Ressourcen können neue Wege gefunden werden, mit Belastungen umzugehen. Suchtkranke können sich und das Leben wieder besser annehmen. Eines der wichtigsten Therapieziele ist es, dass Abhängigkeitserkrankte neue Strategien erlernen, um sich selbst in schwierigen Situationen helfen zu können. Es geht darum, Alternativen zu erarbeiten und sich nicht mehr geistig, körperlich und seelisch mit süchtig machenden Substanzen selbst zu zerstören.
Bei Suchterkrankungen spürt der Patient seinen Körper oft nicht. Er hat es durch den Drogenkonsum verlernt, Körper oder Gefühle wahrzunehmen. Auch das Abklopfen des Körpers, um ihn spürbar zu machen, ist Teil der Tanztherapie. Ständige Reflexion, durch welche Körperübungen sich etwas verändert und wie es sich verändert hat, gehört ebenfalls dazu. Dabei lernt der Betroffene, sein Befinden ohne Drogen zu steuern.
Tanztherapie kann neben Alkohol-, Medikamenten- und Drogenmissbrauch auch bei Angststörungen, Schizophrenie und Depressionen über Krebs, chronische Schmerzzustände und Demenz bis hin zu Stress und Essstörungen angewandt werden.
Indem man den Körper z.B. mit dem Igelball abrollt, werden die Körpergrenzen erfahrbar. Mit Schnüren kann der Raum definiert werden, den der Patient zum Wohlfühlen braucht. Dadurch wird ihnen bewusst, wie viel Nähe oder Distanz gut für sie ist.
Durch Gangübungen lernen sie, dass sie selbst bestimmen können, wie nah ihnen jemand kommen darf. Dadurch lässt sich erfahrbar machen, wann über die persönliche Grenze gegangen wird. Patienten sagen Stopp, wenn es ihnen zu nah wird. So lernen sie auch im Alltag "Nein" zu sagen, wenn jemand versucht, ihre Grenzen zu überschreiten.
Ein wichtiger Teil eines tanztherapeutischen Prozesses ist es, an einem positiven Körpererleben zu arbeiten. Negative Empfindungen können zu anhaltenden Verspannungen der Muskulatur führen. Im tanztherapeutischen Prozess geht es dann z.B. darum, diese Anspannung als Schutzreaktion des Körpers verstehen zu lernen und sich allmählich neue Schutzstrategien zu erarbeiten, um mehr Entspannung zulassen zu können.
Die Patienten nehmen wahr, was ihnen und dem Körper gut tut. Das Wahrnehmen eigener Ressourcen und der achtsame Umgang mit sich selbst, was Suchtkranke häufig verlernt haben, werden dadurch gefördert.