Und das nicht nur unmittelbar nach dem vollbrachten Nickerchen: Wer um die Mittagszeit ein Kraftschläfchen macht, ist nicht nur am Nachmittag, sondern auch noch am Abend besser drauf. Ein Power nap sollte nicht länger als 30 Minuten sein. Mittagsschlaf hat in unseren Breiten noch immer ein wenig den Anruch von Faulheit, von Schwäche und Arbeitsscheue. In China indes ist das Schläfchen zwischendurch (Xiu Xi) nach Artikel 49 sogar ein gesetzlich verankertes Recht. "Und das hat auch seinen guten Grund", betont Univ.-Prof. Dr. Manfred Walzl, Grazer Neurologe und Vorstand der Schlafmedizin an der Landesnervenklinik Sigmund Freud.
Der kurze Tagesschlaf, auf "Neudeutsch" auch "Power nap" (Kraft-Nickerchen) genannt, ist eine Energie- und Vitalitätsquelle sondergleichen - ein Profit für Physe und Psyche gleichermaßen.
Was schon Albert Einstein und Leonardo da Vinci sich regelmäßig gönnten, das Mittagsschläfchen, steht seit einigen Jahren immer stärker und öfter im Fokus wissenschaftlicher Forschungen. "Nahezu alle Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass der kurze, leichte Tagesschlaf zu einer Steigerung von Aufmerksamkeit, Wachheit und Konzentration führen kann", berichtet Walzl. Er selbst habe mit Mitarbeitern eine Studie an der Landesnervenklinik Sigmund Freud in Graz durchgeführt, "die Leistungsfähigkeit der Kurzschläfer stieg gegenüber jenen der Nichtschläfer immerhin um bis zu 30 %, die Tagesmüdigkeit war bei den Schläfern signifikant vermindert." Der Power nap entspreche nämlich dem natürlichen Schlafbedürfnis des Menschen. Der schläft heute ohnehin zu wenig. Verbrachte der Durchschnittsamerikaner des 19. Jahrhunderts noch 10 Stunden in Morpheus‘ Armen, so sind es heute nur noch 7 Stunden. Ein Drittel der US-Bürger schläft sogar weniger als 6 Stunden. "Und bei uns ist es nicht viel anders", meint Experte Walzl.
Die Folgen des Schlafmangels aber sind mehr als vielfältig: "Laut mehrerer internationaler Untersuchungen geben 40 % der Erwachsenen an, dass ihnen Tagesmüdigkeit Probleme im Job bereite. Und sogar 68 % sprechen von zunehmenden Konzentrationsproblemen, 50 % schlafen in monotonen Situationen immer wieder kurz ein." Müde Arbeiter und Angestellte aber kosten: So gehen allein in Europa durch Müdigkeit im Job jährlich rund 95 Millionen Arbeitstage verloren, weil müde Menschen unproduktiver sind, weil sie mehr Fehlentscheidungen treffen, weil sie öfter in Unfälle verwickelt sind. Das Risiko eines Arbeitsunfalles ist bei Tagesmüdigkeit um sage und schreibe 700 (!) % erhöht. Ein Nickerchen zur rechten Zeit schützt also auch vor Unfällen. Auch Aufmerksamkeits-Ausfälle soll die Tages-Siesta reduzieren können - um etwa ein Drittel. Der Mittagsschlaf ist also eine Möglichkeit, einen Teil der Schlafschulden wieder einzubringen.
Power napping ist auch noch um etwa 14:00 Uhr wertvoll. Denn: Der Mensch erfährt innerhalb von 24 Stunden normalerweise zwei große Leistungstiefs - eines in der zweiten Nachthälfte, ein weiteres zwischen 13:00 und 15:00 Uhr: Die Körpertemperatur sinkt, der Kreislauf wird instabiler. Müdigkeit macht sich breit, Konzentration- und Reaktionsfähigkeit lassen nach, auch ohne schweres Mittagessen. Das macht nur noch zusätzlich schläfrig.
Erwähnten Leistungsknick, der nicht bei jedem Menschen gleich stark ausgeprägt ist, kann ein Zwischenschläfchen zur passenden Zeit abfedern und neue Kraft für die Arbeit am Nachmittag liefern. Erwiesen ist: Ein Nickerchen zwischendurch steigert Produktivität und Leistung am Arbeitsplatz, aber auch Lernvermögen, Gedächtnisleistung und Aufmerksamkeit profitieren. Walzl: "Die Leistungssteigerung könnte aus einer verbesserten Sauerstoffversorgung des Organismus während des Kurzschlafs resultieren." Deswegen hat man im fernen Osten und in den USA in Extrazimmern bereits Power-nap-Betten aufgestellt, in denen sich Mitarbeiter schlafend einen Energiekick holen sollen.
Es muss aber gar nicht immer ein Bett sein: Auch der Bürosessel, entriegelt und nach hinten gekippt, leistet gute Dienste beim Kraftschläfchen. Schläfchen, denn auch hier liegt die Würze in der Kürze: "Mehr als 20, maximalst 30 Minuten sollen’s keinesfalls sein", betont der Schlafforscher, "denn das kann das Gegenteil bewirken und müde und schlapp machen. Und außerdem Nachtschlaf rauben." Trick von Walzl, damit der Kurzschläfer nicht in einen ungesunden Tages-Tiefschlaf verfällt: Auto- oder Wohnungsschlüssel in die Hand nehmen. "Sobald man tiefer einschläft, fällt einem der aus der Hand und normal ist man dann sofort wieder hellwach." Ein Wecker tut's natürlich auch. Weitere Tipps für eine wohlige Power-nap-Atmosphäre:
Der kleine Bruder des Nachtschlafs kann aber noch mehr: Die heutige technisierte Arbeitswelt mit ihrem Motto immer schneller, immer mehr, immer leistungsorientierter, ist eine große psychische Belastung für den Menschen, der solchermaßen nicht wirklich artgerecht leben kann.
Der Mittagsschlaf hat hier einen günstigen Einfluss, nimmt mitunter auch einen Teil des Drucks, den das oft als unerträglich empfundene Tempo und die nervenstrapazierende Reizüberflutung auf viele ausüben. Solchermaßen ist die Büro-Siesta auch ein gewisse Prävention gegen Burnout, auch das Herzinfarktrisiko lässt sich damit senken. Wer mindestens 3 mal pro Woche eine halbstündige Siesta macht, senkt sein Risiko für einen Herzinfarkt um 37 %. Und wer zumindest gelegentlich ein Mittagsschläfchen einlegt, hat ein um 12 % niedrigeres Risiko für einen tödlichen Herzinfarkt gegenüber jenen, die bei Tag nie eine kleine Schlafpause machen. Die Mittagsruhe senkt die koronare Sterblichkeit auch deswegen, weil sie eine wesentliche Stressreduktion mit sich bringt.