Liebeskummer, ein Streit mit dem besten Freund oder Stimmungsschwankungen dank Hormonschüben können Teenager schon einmal aus dem Gleichgewicht bringen. "Veränderungen im Verhalten sind für das Jugendalter typisch. Sie weisen nicht spezifisch auf eine behandlungsbedürftige Erkrankung hin", meint Universitätsprofessor Dr. Andreas Karwautz von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, MedUniWien. "Schwankungen in Stimmung und Antrieb, Reizbarkeit, sowie daraus folgendes unangepasstes Verhalten, verstärkte Sinnfragen, Selbstzweifel und Selbstwertthemen sind in der Regel nicht krankheitswertig sondern alterstypisch."
Jedoch zeigt die "Mental Health in Austrian Teenagers (MHAT)"-Studie auf, dass nicht alle Verhaltensänderungen auf die leichte Schulter genommen werden dürfen. An der Befragung nahmen mehr als 3.600 Jugendliche im Alter von 10 bis 18 Jahren teil. Diese (und/oder ihre Eltern) berichteten in telefonischen Interviews über ihre psychische Gesundheit. Nicht nur Schülerinnen und Schüler waren Teil dieser Stichprobe, sondern auch Schulabbrecher und Teenager, die in einer jugendpsychiatrischen Einrichtung behandelt werden.
Das bedrückende Ergebnis: Ein Viertel der Jugendlichen litt zum Zeitpunkt der Befragung unter einer psychischen Störung – auf die gesamte Lebensspanne berechnet wird sogar ein Drittel der heutigen Jugendlichen einmal psychische Probleme haben.
Bei folgenden Symptomen empfiehlt Karwautz einen Besuch beim Facharzt für Jugendpsychiatrie oder einem klinischen Psychologen mit Spezialisierung auf den Kinder- und Jugendbereich:
sozialer Rückzug und soziale Ängste
körperliche Symptome wie Kopfschmerzen und Bauchschmerzen
Anstieg von Schulabsenzzeiten
suchtartige Verhaltensweisen (Substanzen, neue Medien, Nahrungszufuhr, Spiele)
Suizidäußerungen
mehrfache und wiederkehrende Selbstverletzungen
Wahrnehmungsänderungen (z. B. psychotische und paranoide Äußerungen)
Abnahme des Körpergewichtes, länger dauernde Diäten, Auftreten von Heißhungerattacken
Abfall der Schulleistungen
Die Psyche von Mädchen und Buben ist der Studie zufolge scheinbar sehr unterschiedlich gestrickt. Bei Buben sind externalisierende psychische Erkrankungen häufiger: Das bedeutet, sie fallen durch störendes oder "lästiges" Verhalten auf. Bei Mädchen zeigen sich öfter internalisierende, also nach innen gerichtete psychische Störungen, das heißt, depressive Störungen und Angststörungen sind hier weiter verbreitet.
Folgende psychische Störungen sind bei Buben besonders häufig:
ADHS: 15,4% bei Buben vs. 5,2% bei Mädchen
Verhaltensstörungen und Störungen der Impulskontrolle: 7,4% bei Buben vs. 1,3% bei Mädchen
Und diese bei Mädchen:
Angststörungen: 19,5% bei Mädchen vs. 9,5% bei Buben
Essstörungen: 5,5% bei Mädchen vs. 0,6% bei Buben
Psychische Störungen aufgrund von einem Trauma oder Stress: 4,9% bei Mädchen vs. 1,3% bei Buben
Selbstverletzung (ohne Suizidgefahr): 3,5% bei Mädchen vs. 0% bei Buben
Suizidale Verhaltensstörungen: 2,5% bei Mädchen vs. 0,3% bei Buben
"Frühintervention ist essentiell, um die bestmögliche Prognose zu erreichen", betont Karwautz. Dann sind auch chronische Verläufe vermeidbar. Schulärzte und Schulpsychologen wären laut dem Experten die idealen professionellen Anlaufstellen, außerdem sind "hellhörige Eltern, die ihre Kinder wahrnehmen und andere Verwandte" genauso wie Mitschüler und Freunde beim Erkennen der ersten Krankheitsanzeichen gefragt.
Psychotherapeutische Verfahren können und müssen im Kinder- und Jugendalter bei jeder psychischen Störung eingesetzt werden, wissenschaftliche Studien sprechen für ihre Wirksamkeit. Bei Psychopharmaka ist die Datenlage nicht ganz so klar – und es kommt dabei auf die Art der Störung an. Karwautz erklärt: "Wird medikamentös bei der ADHS und der Schizophrenie eine deutliche Besserung unter Einsatz von Psychopharmaka erreicht, ist die Datenlage zur Wirksamkeit von Antidepressiva bei der Depression im Kindesalter weitaus geringer."