gesund.at hat zum Internationalen Hebammentag am 5. Mai mit der erfahrenen Hebamme und der Hebammen-Studentin über das jahrhundertealte Berufsbild gesprochen: Wie die beiden den Hebammenberuf sehen, was das Besondere daran ist und was sie bei einer Geburt empfinden. Der Weg zur Hebamme könnte bei beiden nicht unterschiedlicher sein, 36 Jahre liegen zwischen ihnen, und doch greift das eine Leben in das andere: Die eine war vor mehr als 30 Jahren von der damals vorherrschenden Praxis der Durchtrittsnarkose geschockt und wollte als Hebamme Teil einer Veränderung sein, die andere wuchs Jahre später mit dieser Veränderung und dem selbstverständlichen Zusammenspiel von Geburt und Hebammen auf, und entschied sich diesen Weg selbst zu gehen.
Hebammen sind nicht nur während der Geburt als Begleiterinnen da - Sie unterstützen Frauen schon beim Kinderwunsch, bereiten Schwangere in Geburtsvorbereitungskursen auf die Geburt vor oder wissen Rat um wunde Brustwarzen durch Stillen. In kaum einem anderen Beruf muss mit so viel Gefühl und Verständnis gearbeitet werden wie in dem der Hebammen. Wie wird man zur Hebamme? Was muss man mitbringen für diesen Beruf?
Anfang der 80er: Johanna Sengschmid war in ihrer damaligen Ausbildung als Schwesternschülerin auf einer Geburtenstation. Die Frauen waren während der Geburt narkotisiert, bis sie zum ersten Mal ihr Neugeborenes halten durften, vergingen Stunden. Kaiserschnitte waren an der Tagesordnung, aber nur um den Beckenboden zu schonen. Die junge Schwesternschülerin war schockiert von der fremdbestimmenden Herangehensweise ein Baby zu gebären. Nach dem Diplom zur Gesundheits- und Krankenpflegerin machte sie die Ausbildung zur Hebamme, um Frauen eine selbstbestimmte Geburt zu ermöglichen. 20 Jahre später, um das Jahr 2000, geht die Hebammen-Studentin Lena Koppelent ganz anders auf diesen Beruf zu: "Ich wusste als Kind lange nicht, dass es Menschen gibt, die ins Spital gehen um Kinder zu bekommen". Durch Hausgeburten im Familien- und Bekanntenkreis bekam sie schon sehr früh eine Vorstellung davon was Hebammen machen.
300 Bewerberinnen gibt es auf der FH Krems jährlich - für 20 freie Plätze. Seit 2006 wird die Ausbildung zur Hebamme als FH-Studium angeboten. 3 Jahre dauert das Studium und schließt mit einem Bachelor ab. Unzählige junge Frauen bewerben sich mehrmals bis sie aufgenommen werden. Bei Lena Koppelent klappte es sofort. "Ich war sehr entspannt und hatte konkrete Vorstellung vom Tun einer Hebamme: Viele Bewerberinnen sind entzückt von Babys, dabei stehen diese gar nicht so stark im Vordergrund. Der Hauptfokus von Hebammen liegt auf der Frau und der Familie. Möchte ich mit Kindern arbeiten, so müsste ich einen Beruf wählen bei dem Kinder im Vordergrund stehen, wie zum Beispiel Kinderkrankenschwester. Zu vielen Themen hatte ich schon damals eine persönliche Meinung, etwa zu Wunschkaiserschnitt und Hausgeburten. Und ich ging mit viel Begeisterung in das Aufnahmegespräch - die habe ich am Ende des 4. Semesters nach wie vor", verrät sie ihr Erfolgsrezept.
Das Studium teilt sich von Beginn an in Theorie- und Praxisblöcke - Ab dem 3 .Semester dürfen die Studentinnen selbstständig eine Geburt anleiten. 40 Geburten müssen am Ende der Ausbildung selbstständig begleitet worden sein - Lena Koppelent hat am Ende des 4. Semesters 20 Geburten geführt. Erfüllt die Ausbildung Lenas Erwartungen? "Mit dem Studium in Krems bin ich sehr zufrieden. Es ist anstrengender als erwartet. Da ich aber so unbedingt gerne Hebamme werden möchte, bringe ich dafür gerne Opfer", so die Studentin. "Zum Teil kann es auch eine sehr belastende Arbeit sein, zum Beispiel wenn ein Baby nicht lebend geboren wird. Als Studentin habe ich den Wunsch nach einer Bilderbuchgeburt, das kann aber nicht immer sein."
Emotionen zeigen - da sind sich Hebamme und Hebammen-Studentin einig - dürfen Hebammen! "Die Frau erwartet sich eine empathische Person. Das Verständnis um den Schmerz ist wichtig, die Hebamme darf emotional dabei sein", so Hebamme Johanna Sengschmid. "Mitweinen darf passieren", bringt es Hebammen-Studentin Lena Koppelent auf den Punkt. "In meiner professionellen Rolle als Hebammen-Studentin begleite ich Frauen und tue was ich kann, ganz oft ist es wichtig einfach nur da zu sein. Und dazu gehört auch selbst zu zeigen wie es mir geht - würde ich mich verstellen, wäre das nicht authentisch. So wie ich aus Traurigkeit mitweine, fließt auch aus Freude die ein oder andere Träne."
"Die Faszination für mich ist die Aufgabe der Hebammen den Frauen das Potential zu geben ihr Baby selbst zu gebären - sie müssen nach der Geburt sagen können 'Ich habe mein Baby geboren'. Während der Geburt selbst fasziniert mich die ungeheure Kraft, die freigesetzt wird", so die Hebamme Johanna Sengschmid. Sie sieht die Geburt als "etwas ganz Pures", die Glücksgefühle, die von den frischgebackenen stolzen Eltern nach der Geburt ausgehen, spürt sie und nimmt sie auf. Die Hebammen-Studentin Lena Koppelent hat 20 Geburten angeleitet, bei ihr läuft im Hinterkopf einerseits noch eine To-do-Liste ab, Angst darf Raum haben, aber nicht den Moment beherrschen, denn das "macht starr und unflexibel". Durch die Sicherheit Hebammen während der Ausbildung um sich zu haben, fühlt sich die Hebammen-Studentin gut aufgehoben. Hat die Gebärende die Geburt hinter sich gebracht, ist es auch für Lena "ein emotionaler Hochflug, wenn alles gut ausgeht und es Mama und Baby gut geht."
Die Hebammen-Ausbildung ist seit 2006 an der Fachhochschule angesiedelt, das bedeutet eine Akademisierung des alten Handwerkberufs - Wie sehen das die beiden Hebammen aus unterschiedlichen Generationen? "Hebamme ist ein Handwerk und Intuition, trotzdem finde ich, dass der akademische Zugang wichtig ist, um am wissenschaftlichen Diskurs teilnehmen zu dürfen, aber nicht um eine zweite Ärzteschaft zu bilden - Hebammen stellen andere Fragen aus einem anderen Blickwinkel, der auch erforscht werden sollte." so Lena Koppelent über die Akademisierung der Hebammen. Das sieht die Hebamme Johanna Sengschmid gleich: "Ich finde die Möglichkeit des akademischen Zugangs für Hebammen toll, weil wir dadurch unser Wissen hinterfragen - eine große Herausforderung ist das in die Praxis umzusetzen."
Lena Koppelent steht jetzt am Ende des 4. Semesters der Hebammen-Ausbildung - Bevor sie sich zur Hebammen-Aufnahmeprüfung getraut hat, hat sie 2 Jahre Musik- und Bewegungspädagogik studiert, trotzdem: Wird sie heute gefragt ob sie alles noch einmal machen würde, so würde sie alles gleich machen: "Meine Zeit davor war sehr wertvoll und ich würde es nicht missen wollen." Johanna Sengschmid kann auf über 30 Jahre Berufserfahrung zurückschauen und würde auch alles noch einmal gleich machen - ein bisserl eifersüchtig sei sie schon auf die Studentinnen heute. Ob es ihr Traumberuf ist? "Egal ob man Lehrerin, Hebamme oder Journalistin ist, wenn man umsetzen kann, warum man angetreten ist, dann bedeutet das seinen Traum verwirklicht zu haben, wenn das die Definition eines Traumberufes ist, dann: ja! - Es ist immer wieder schön auf der Straße Menschen mit ihren Müttern über den Weg zu laufen, die sagen 'Schau, die hat dich entbunden' - Dann sage ich: 'Nein, entbunden hat dich deine Mama, ich habe nur geholfen'".