Diabetes bei Kindern

Ärztin misst bei Buben den Blutzuckerspiegel
Kinder und Jugendliche mit Diabetes müssen regelmäßig Blutzucker messen.
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Die überwiegende Anzahl (95 %) der "zuckerkranken" Kinder erkrankt am angeborenen Diabetes mellitus Typ 1, die erworbene Form, Typ-2-Diabetes, tritt bei Kindern und Jugendlichen nur sehr selten auf.

Medizinische Expertise

Birgit Rami-Merhar

Univ.-Prof.in Dr.in Birgit Rami-Merhar, MBA

Leiterin der Pädiatrischen Diabetologie
Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien
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Insgesamt sind in Österreich zirka 3.000 Kinder unter 15 Jahren von Diabetes betroffen, sehr oft Jugendliche in der Pubertät. Die ersten Anzeichen sind Durstgefühl, häufiges Urinieren, Abgeschlagenheit, Müdigkeit sowie Leistungs- und Konzentrationsschwäche sowie Heißhungerattacken.

Wird die Krankheit nicht rechtzeitig diagnostiziert, besteht die Gefahr einer Ketoazidose, einer schweren Stoffwechselentgleisung, aus der sich ohne schnelle medizinische Hilfe ein lebensgefährliches diabetisches Koma entwickeln kann. Bei Typ-1-Diabetes handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der die Bauchspeicheldrüse kein Insulin mehr erzeugt; das fehlende Insulin muss zeitlebens medikamentös ersetzt werden.

  • Der Typ 1 der Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus bricht im Regelfall im Kindesalter aus.
  • Starkes Durstgefühl, häufiges Urinieren, Gewichtsabnahme und Müdigkeit zählen zu den ersten Diabetes-Symptomen bei Kindern.
  • Die häufigste Komplikation ist eine Unterzuckerung. Diese kann entstehen, wenn zu viel Insulin gespritzt wurde.
  • Bei der Erstbehandlung, die im Regelfall im Krankenhaus erfolgt, wird der Stoffwechsel richtig eingestellt. Außerdem erhalten das Kind und seine Eltern eine Schulung.
  • In weiterer Folge ist eine lebenslange Insulintherapie notwendig.
Art Stoffwechselerkrankung
Ursache Insulinmangel (Typ-1-Diabetes) oder mangelnde Insulinwirkung
Übertragung nicht ansteckend
Symptome bei schwerer Blutzuckerentgleisung: Durstgefühl, Harndrang, Gewichtsverlust, Leistungsknick, Sehprobleme
Behandlung Insulintherapie bei Typ-1-Diabetes; Lebensstilmaßnahmen, verschiedene Antidiabetika inklusive Insulin bei Typ-2-Diabetes

In Österreich sind zirka 2.500 bis 3.000 Kinder und Jugendliche (bis 15 Jahre) an Diabetes erkrankt. 95 % davon sind Typ-1-Diabetiker, weshalb diese Form auch als juveniler Diabetes bezeichnet wird; im Gegensatz dazu wird Typ-2-Diabetes oft fälschlicherweise "Altersdiabetes" genannt.

Hierzulande erkranken pro Jahr rund 300 Kinder an Diabetes, wobei Buben etwas häufiger als Mädchen betroffen sind. Während die Zahl der Diabetes-Typ-2-Neuerkrankungen konstant niedrig bleibt, ist es in den vergangenen Jahren zu einem starken Anstieg der jugendlichen Typ-1-Diabetiker:innen gekommen. Am häufigsten erkranken Kinder an der Schwelle zur Pubertät, ein weiterer Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 3. und 4. Lebensjahr.

Da Typ-2-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen in Österreich (und in Europa) viel seltener auftritt, soll hier nur kurz darauf eingegangen werden. Prinzipiell steigt auch die Zahl der unter 15-Jährigen an, die an Typ-2-Diabetes leiden, allerdings nur sehr leicht, weil die Zahl der extrem stark übergewichtigen Kinder und Jugendlichen hierzulande ebenfalls (noch) nicht so sehr zunimmt – starkes Übergewicht ist die Hauptursache für Diabetes Typ 2. Wie Diabetes Typ 1 zeigt sich auch Typ 2 zunächst in vermehrtem Durst, vermehrtem Harndrang und Müdigkeit, doch ist Typ 2 bei Kindern und Jugendlichen gut heilbar, indem Übergewicht durch mehr Bewegung und eine Ernährungsumstellung abgebaut wird. Wenn das gelingt, verschwindet die Krankheit oft von selbst. Wenn nicht, ist eine Therapie mit oralen Antidiabetika angezeigt.

Diabetes mellitus Typ 1 ist eine chronische Erkrankung des Stoffwechsels und zählt zu den sogenannten Autoimmunerkrankungen. Das körpereigene Immunsystem greift die insulinproduzierenden Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse an, die dabei entstehende Entzündungsreaktion (Insulitis) führt im Laufe der Zeit zu einer Zerstörung der Beta-Zellen, sodass immer weniger Insulin gebildet wird. Dadurch wird der Traubenzucker (Glucose) im Blut immer schlechter den Körperzellen zugeführt – die ihn als Energielieferant benötigen – und verbleibt im Blut.

Der Grund für diese Reaktion des Immunsystems ist nicht bekannt, klar ist nur, dass die Genetik offenbar eine wichtige Rolle spielt: Kinder eines Elternteils mit Typ-1-Diabetes haben ein doppelt so hohes Erkrankungsrisiko. Haben beide Eltern Typ-1-Diabetes, dann liegt die Wahrscheinlichkeit der Kinder, einen Diabetes zu entwickeln, bei 25 %.

Das vermehrte Auftreten von Diabetes Typ 1 bei Jugendlichen spricht dafür, dass noch andere Ursachen wie Übergewicht, das höhere Alter in welchem Frauen Kinder gebären oder übertriebene Hygiene in Frage kommen.

Die ersten Anzeichen, dass Ihr Kind an Diabetes erkrankt sein könnte, sind starkes Durstgefühl und vermehrtes Trinken, häufiges Urinieren, Gewichtsabnahme, Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Leistungs- und Konzentrationsschwäche und Heißhungerattacken. Bei Kleinkindern kommt es vor, dass sie in der Nacht wieder einnässen und oft über Kopf- oder Bauchschmerzen klagen.

Gefährlich wird es, wenn diese Symptome nicht sehr ausgeprägt sind (was vorkommen kann) und die Krankheit daher nicht rechtzeitig diagnostiziert wird. Dann besteht die Gefahr einer Ketoazidose, einer schweren Stoffwechselentgleisung, aus der sich ohne schnelle medizinische Hilfe ein lebensgefährliches diabetisches Koma – ein Zustand der Bewusstlosigkeit – entwickeln kann. Die Anzeichen sind Übelkeit, Erbrechen, Schwäche, Azetongeruch (riecht ähnlich wie Nagellackentferner) in der Atemluft, angestrengte Atmung und Müdigkeit.

Hypoglykämie oder Unterzuckerung ist die häufigste Komplikation, die bei einer Typ-1-Diabetiker:in auftreten kann. Der Zuckermangel entsteht, wenn eine zu hohe Dosis Insulin gespritzt wurde, was vor allem bei körperlicher Betätigung wie Sport vorkommen kann – wenn dem Körper nicht ausreichend Kohlenhydrate zugeführt wurden. Der niedrige Blutzuckerspiegel führt zu Symptomen wie Schwitzen, Zittern, Heißhungerattacken oder Krämpfen. Treten diese auf, sollte das Kind sofort zuckerhaltige Speisen oder Getränke (am besten Traubenzucker, auch Fruchtsäfte sind geeignet) zu sich nehmen, ansonsten droht Bewusstlosigkeit und Lebensgefahr.

Bei Verdacht wird von der Ärzt:in die Zuckerkonzentration im Urin gemessen. Beträgt diese über 180 mg/dl ist dies ein massiver Hinweis auf Diabetes. Dann sollte das Kind sofort an ein spezialisiertes Diabetes-Zentrum überwiesen werden.

Die genaue Diagnose wird im Labor gestellt. Die Kriterien sind für Kinder und Erwachsene gleich; es gilt, dass an mindestens 2 verschiedenen Tagen folgende Blutzuckerwerte gemessen werden:

  • Nüchtern-Blutzucker aus venösem Blut ≥ 126 mg/dl und/oder
  • Blutzucker ≥ 200 mg/dl 2 Stunden nach dem Essen
  • HbA1c-Wert über 6,5 %

Sollte unklar sein, ob das Kind an Typ-1- oder Typ-2-Diabetes leidet, kann auch das sogenannte C-Peptid gemessen werden – ein Teil des Hormonvorläufers Proinsulin – das in gleichem Maße wie Insulin von der Bauchspeicheldrüse abgegeben wird. Bei Typ-1-Kindern ist es fast nicht vorhanden, bei Typ-2-Kindern ist der C-Peptid-Wert durch die Überproduktion von Insulin erhöht.

Die Erstbehandlung, nachdem ein Typ-1-Diabetes bei einem Kind festgestellt wurde, sollte stationär erfolgen - zum einen wegen der notwendigen Stoffwechseleinstellung, zum anderen damit die Patient:innen eine ausführliche Schulung zum Umgang mit der Erkrankung erhalten können. Die meisten Zentren können diese Leistung nur stationär anbieten. Nach diesen Kriterien richtet sich auch die Dauer des Klinikaufenthaltes. In weiterer Folge ist eine lebenslange Insulinsubstitution notwendig, wobei es verschiedene Formen der Insulintherapie gibt.

Heute ist eine kontinuierliche Glucose-Messung mittels eines Sensors Standard, der gefährliche Abweichungen im Blutzuckerspiegel sofort erkennt. Die Insulingabe erfolgt bei den meisten Patient:innen mit einer Insulinpumpe. Die Kombination von diesen beiden Geräten nennt man eine sensorunterstütze Insulinpumpentherapie. Seit 2019 sind auch Systeme zur Verfügung, bei denen die Insulinabgabe durch die Sensorwerte beeinflusst wird, d.h. mehr Insulinabgabe bei höheren Werten und weniger Insulin bei niedrigen Werten.

Diese, derzeit modernste Therapie nennt man AID (automated insulin delivery). Hierbei wird Insulin automatisch dann entsprechend an den Körper abgegeben, wenn der Sensor Bedarf erkennt. In Studien erzielt AID sehr gute metabolische Ergebnisse, weswegen sie sich immer stärker als Standardtherapie bei neu diagnostizierten Kindern und Jugendlichen etabliert hat. Die metabolische Einstellung kann damit deutlich verbessert werden, zusätzlich zeigten sich eine verbesserte Lebensqualität und ein verbesserter Schlaf bei den betroffenen Familien.

Das Wichtigste, was Sie als Eltern für Ihr Kind tun können, ist, sich genau an die Maßnahmen zu halten, die Ihnen im Zuge der Schulung in einem Diabetes-Zentrum vermittelt wurden. Eltern sollten daher Fragen oder Probleme immer mit dem behandelnden Team besprechen. Das betrifft unter anderem das Erkennen der Anzeichen für eine Hypoglykämie oder das Bereithalten von zuckerhaltigen Getränken oder Speisen – für den Fall, dass der Blutzuckergehalt des Kindes absinkt.

Langfristig ist es wichtig, das Kind zur Selbstständigkeit zu führen, damit es etwaige notwendige Maßnahmen möglichst bald eigenständig durchführen kann. Eltern sollten die Anweisungen der medizinischen Expert:innen sehr genau und gewissenhaft beachten, zugleich aber versuchen, dass das Kind ein möglichst "normales" Leben führt und nicht zur Außenseiter:in unter Gleichaltrigen wird.

Abgesehen davon ist die Informationsweitergabe ein entscheidendes Kriterium: Eltern müssen diejenigen Personen informieren, die ihr Kind betreuen und beaufsichtigen – Kindergärtner:innen, Lehrer:innen, Tagesbetreuer:innen etc. – über die Krankheit des Kindes. Ebenso sollten private Freund:innen und Bekannte mit der Erkrankung zumindest soweit vertraut sein, dass sie im Ernstfall (vor allem bei Hypoglykämie) die richtigen Maßnahmen ergreifen können.

Mehr lesen » Ernährung bei Diabetes


Autor:in:
Redaktionelle Bearbeitung:
Medizinisches Review:
Zuletzt aktualisiert:

9. März 2023

Erstellt am:

1. August 2016

Stand der medizinischen Information:

9. März 2023


ICD-Code:
  • E10

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