Untersuchungen bei Kinderwunsch (Mann)

Grafische Darstellung von Spermien auf dem Weg zur Eizelle
Das Spermiogramm ist die wichtigste Untersuchung beim Mann bei Kinderwunsch.
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Bei ungewollter Kinderlosigkeit kostet der Gang zum Arzt Männern oft mehr Überwindung als Frauen. Denn Zeugungsfähigkeit wird oft mit "Männlichkeit" gleichgesetzt.

Medizinische Expertise

Peter Anton Bauer

OA Dr. Peter Anton Bauer

Facharzt für Gynäkologie & Geburtshilfe
Rudolf von Eichthalstraße 67/2/1, 7000 Eisenstadt
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Um sich den Wunsch nach einer Familie zu erfüllen, sollten Männer aber über ihren Schatten springen und sich an einen Andrologen oder einen Urologen wenden, der sich auf das Gebiet der männlichen Fruchtbarkeitsdiagnostik spezialisiert hat. Denn ein unerfüllter Kinderwunsch betrifft immer das Paar als Einheit und nicht den einzelnen Partner. Experten vermuten, dass in etwa 50 % der Fälle kombinierte Probleme auf beiden Seiten vorliegen, wenn ein Paar ungewollt kinderlos bleibt. Deshalb ist nicht nur die Diagnostik bei der Frau, sondern auch beim Mann bedeutsam!

  • Bei unerfülltem Kinderwunsch sollten sich Männer einer urologischen Untersuchung unterziehen.
  • In der Anamnese werden unter anderem mögliche Vorerkrankungen und soziale Faktoren erhoben.
  • Die wichtigste Untersuchung ist das Spermiogramm.
  • Beim Spermiogramm wird das Sperma des Mannes auf Zeugungsfähigkeit untersucht.
  • Weitere mögliche Untersuchungen sind ein Ultraschall und die Hormonanalyse.
  • Die Partnerin des Betroffenen sollte sich Untersuchungen beim Gynäkologen unterziehen.

Bei ungewollter Kinderlosigkeit steht vor allem das vertrauliche Gespräch mit dem Urologen im Zentrum. Dabei werden die bisherige Krankengeschichte und Familienplanung sowie eventuelle sexuelle Probleme thematisiert. Auch über soziale Faktoren und Umwelteinflüsse (z. B. Stress, Rauchen, Alkoholkonsum) wird der Experte mit Männern reden.

Zu den fruchtbarkeitsstörenden Einflüssen gehören etwa

  • Hodenhochstand,
  • Entzündungen der Geschlechts- und Beckenorgane,
  • Verletzungen und Operationen und
  • Allgemeinerkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes.

Ergeben sich im Gespräch Hinweise auf eines dieser Krankheitsbilder, wird der Arzt entsprechende Untersuchungen veranlassen. Auch vergangene oder laufende medikamentöse Behandlungen, die den Hormonkreislauf des Mannes beeinflussen können, werden erfragt. Nicht zuletzt wird der Arzt auch auf einen ungewöhnlichen Verlauf der körperlichen Entwicklung in der Pubertät sowie Erbkrankheiten in der Familie eingehen.

An das Gespräch schließt eine allgemeine körperliche Untersuchung an. Zum medizinischen Standard gehört, die Körpergröße und das Körpergewicht zu erfassen und daraus den BMI zu ermitteln, da sowohl Unter- als auch Übergewicht als Ursache einer Fertilitätsstörung infrage kommen. Außerdem tastet der Arzt die Hoden, die Nebenhoden und Samenleiter ab. Gegebenenfalls wird der Mediziner die Hoden, die Prostata und die Harnwege auch noch per Ultraschall untersuchen.

Wichtigster Punkt der Abklärung ist das Spermiogramm: Mit dem Ergebnis des Spermiogramms wird die erste Weiche in der Kinderwunschbehandlung gestellt und die Frage beantwortet, ob eine Schwangerschaft auf normalem Weg überhaupt möglich ist. Es ist eine einfache Untersuchung, die deshalb gleich ganz am Beginn der Kinderwunschabklärung stehen sollte. Solange kein Spermiogramm vorhanden ist, sollte keiner Frau eine aufwändige Abklärung zugemutet werden.

  • Spermiogramm: Das Sperma des Mannes wird auf Zeugungsfähigkeit untersucht. Der Samen wird dazu unter dem Mikroskop betrachtet.
  • Fruchtbarkeitsuntersuchung: Bei der Fruchtbarkeitsuntersuchung der Samenflüssigkeit im Labor wird zunächst die Anzahl der Spermien pro Milliliter beziehungsweise die Gesamtzahl der Spermien in der Samenflüssigkeit bestimmt (Konzentration).

Ein Spermiogramm gilt als normal wenn:

  • mehr als 15 Millionen Spermien pro ml vorhanden sind,
  • davon mehr als 32 % vorwärts beweglich und
  • zumindest 4 % der Spermien normal geformt sind,
  • die Flüssigkeitsmenge pro Samenerguss sollte über 1,5 ml liegen
  • zudem wird die Vitalität der Spermien, die Konsistenz, der pH-Wert und das Vorhandensein von Bakterien beurteilt.

Um besonders aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen, sollte vor diesem Samentest der Mann 2 - 7 Tage keinen Samenerguss (Ejakulation) gehabt haben.

Der Mann gewinnt die Samenprobe meist durch Selbstbefriedigung (Masturbation). In spezialisierten Praxen steht für die Spermagewinnung meist ein "Spenderaum" zur Verfügung. Wenn dies den Mann irritiert, kann die Spermagewinnung aber nach Absprache mit dem Arzt auch zu Hause erfolgen. Egal wie das Ejakulat gewonnen wird: Es muss in einem speziellen Behälter zur Untersuchung transportiert werden, den der Mann vom Arzt erhält.

Da die Qualität der Spermien schwanken kann, wird ein Spermiogramm in der Regel 2 bis 3 Mal durchgeführt, um einen endgültigen Befund über die Spermaqualität des Mannes zu bekommen. Über all die ermittelten Werte des Spermiogramms wird der Arzt nach der Untersuchung ausführlich mit dem Mann – am besten in Begleitung seiner Partnerin – sprechen.

Samen-Heimtests

Mittlerweile gibt es auch Heimtests, mit welchen die Qualität der Samenzellen eingeschätzt werden kann. Dabei ist darauf zu achten, dass solche Selbst-Tests gewählt werden, die nicht nur die Anzahl der Spermien (egal ob beweglich oder unbeweglich) im Ejakulat bestimmen. Mit neuen, patentierten Tests wird stattdessen die Konzentration der beweglichen Spermien gemessen, welche sich maßgeblich auf die Wahrscheinlichkeit einer Befruchtung der weiblichen Eizelle auswirkt.

Begleitend zum Spermiogramm, das immer im Rahmen einer urologischen Untersuchung gemacht werden sollte, ist es auch wichtig, die Hoden per Ultraschall zu untersuchen. Das Hodenvolumen kann z. B. aufgrund einer Hormonstörung, einer Entwicklungsstörung oder einer früheren Hodenentzündung vermindert sein.


Mehr lesen » Nebenhodenentzündung

Außerdem lässt sich per Ultraschall das Gefäßsystem des Hodens untersuchen und etwa eine Krampfader (Varikozele) feststellen. Eine Varikozele kann eine Störung der Zeugungsfähigkeit mitverursachen, sie kann aber gut behandelt werden.

Der Arzt wird per Ultraschall auch die Gewebestrukturen des Hodens und des Nebenhodens genau betrachten, Hodentumore können – wenn auch sehr selten – die Ursache der Zeugungsfähigkeitsstörungen sein.

Die Gesamtbeurteilung der Situation erfolgt im ausführlichen vertraulichen Gespräch.

Als Ursache für suboptimale Spermiogramme kommen in Frage:

  • Hodenhochstand oder Pendelhoden
  • bestehende oder abgelaufene Entzündungen
  • Allgemeinerkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes
  • Lifestylefaktoren, hier vor allem das Rauchen

Wenn in der Samenflüssigkeit nur sehr wenige Spermien zu finden sind, sollte auf jeden Fall eine Hormonanalyse und eine genetische Untersuchung durchgeführt werden.

Wenn in der Samenflüssigkeit nur sehr wenige befruchtungsfähige Spermien zu finden sind, wird dem Mann meist zu einer Hormonanalyse geraten, um abzuklären, ob die hormonelle Steuerung der Hodenfunktion gestört ist. Der Hormonstatus wird mittels Blutabnahme bestimmt.

Die Hodenfunktionen – ergo auch die Produktion von Samenzellen – sind abhängig von der Bildung und Ausschüttung bestimmter Hormone. Dazu zählen:

  • das Follikelstimuliernde Hormon (FSH): Es wird in der Hirnanhangdrüse gebildet und steuert die Entwicklung und die Funktion der männlichen Keimdrüsen (Hoden) und die Bildung und Reifung von Samenzellen.
  • das Testosteron: Es ist das wichtigste männliche Geschlechtshormon. Es wird direkt im Hoden gebildet und ist somit Ausdruck einer guten Hodenfunktion.
  • das Luteinisierende Hormon (LH): Dieses Hormon trägt zur Spermienreifung beim Mann bei und wird in einer Hormonanalyse deshalb standardmäßig mitbestimmt.
  • das Hormon Prolaktin: Ein Ungleichgewicht kann auf eine Erkrankung der Hirnanhangsdrüse hinweisen, die die Bildung von FSH, Testosteron oder LH stören kann und somit auch die Hodenfunktion beeinträchtigen kann.

Eine Hormonbehandlung beim Mann bei ungewollter Kinderlosigkeit führt bei über 80 % der Betroffenen zu einer Normalisierung der Hodenfunktion. So ist bei einem FSH/LH-Mangel die Gabe von fehlenden Hormonen sinnvoll. Auch eine Schilddrüsenunterfunktion bzw. eine einer Hyperprolaktinämie (Konzentration von Prolaktin im Blut erhöht) muss behandelt werden. Eine Testosterongabe bei Testosteronmangel kann aber die Fruchtbarkeit nicht verbessern.

Liegt eine sehr geringe Spermienzahl vor, kann überprüft werden, ob genetische Abweichungen für das Problem verantwortlich sind. Dazu wird eine Blutprobe im Labor kultiviert, die auf genetische Störungen untersucht wird. Insbesondere bei Männern mit weniger als 10 Millionen Spermien pro Milliliter Ejakulat sind diese Untersuchungen sinnvoll.

Das Karyogramm (Chromosomenuntersuchung)

Sie ist die "einfachste" genetische Untersuchung, mit deren Hilfe hauptsächlich Chromosomenbrüche bzw. Chromosomentranslokationen aufgedeckt werden. Ein schlechtes Spermiogramm allein ist kein Hinweis auf Chromosomenbrüche. Das Karyogramm wird aber von manchen Genetikern für alle Kinderwunschpaare bei Mann und Frau gefordert (in der Normalbevölkerung kommen diese Brüche bei 1 % vor, bei Kinderwunschpaaren sind sie mit 2 % doppelt so häufig). Bei Vorliegen von Chromosomenbrüchen ist die Chance schwanger zu werden deutlich reduziert, das Risiko für eine frühe Fehlgeburt meist erhöht. Auch das Risiko für genetische Fehlbildungssyndrome kann dabei erhöht sein.

Ein seltener, spezieller Karyogrammbefund bei extrem schlechten Spermiogrammen ist das sogenannte Klinefelter-Syndrom (im Prinzip gesunde Männer weisen ein zusätzliches X-Chromosom auf).

Molekulargenetische Untersuchungen

Bei extrem schlechten Spermiogrammbefunden (Azoospermie): Wenn keine Spermien vorhanden sind kann selten eine spezielle Form der Mukoviszidose die Ursache sein. Daher ist bei Männern mit Azoospermie die genetische Untersuchung auf Mukoviszidose obligat. Sollte dieser Befund positiv sein, muss auch die Partnerin untersucht werden. Ist die Partnerin auch Trägerin eines Mukoviszidosegens, muss in einer genetischen Beratung das Risiko für das geplante Kind besprochen werden. Im Rahmen einer Präimplantationsdiagnostik, die ja in diesen Fällen erlaubt wäre, kann ein Risiko für das Kind ausgeschlossen oder minimiert werden.

Selten liegt bei sonst gesunden Männern ein sogenanntes Azoospermie-Gen vor. Die Chance auf eine Schwangerschaft ist dann äußerst gering. Männliche Nachkommen sind dann auch Träger des Gens – man kann sagen, dass somit Unfruchtbarkeit weitervererbt wird.

Bei dieser Untersuchung wird eine Gewebeprobe (Biopsie) aus den Hoden entnommen. Wenn sich nur wenige oder keine Samenzellen im Ejakulat befinden, lässt sich damit feststellen, ob die Hoden grundsätzlich Spermien produzieren. Ist dies der Fall, können die mit der Hodenbiopsie gewonnenen Samenzellen tiefgefroren werden (Kryokonservierung) und damit später eine eventuelle künstliche Befruchtung durchgeführt werden. Damit ist die Hodenbiopsie sowohl Teil der Diagnostik als auch schon der Behandlung einer Fruchtbarkeitsstörung.

Mehr lesen » Unerfüllter Kinderwunsch: Tiefs bewältigen


Autor:in:
Redaktionelle Bearbeitung:
Medizinisches Review:
Erstellt am:

21. Februar 2018

Stand der medizinischen Information:

21. Februar 2018

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